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Aktuelle Urteile zur privaten Unfallversicherung

MPK | Melzer Penteridis Kampe Rechtsanwälte veröffentlichen an dieser Stelle mit einem deutlichen zeitlichen Vorsprung vor den Printmedien brandaktuelle Urteile und Beschlüsse der Zivilgerichte zur privaten Unfallversicherung, die im Bereich des Versicherungsrechts einen Schwerpunkt in unserer täglichen Arbeit darstellt. Unsere spezialisierten Fachanwälte für Medizinrecht und Versicherungsrecht halten als gefragte Dozenten auf diesem Fachgebiet regelmäßig Vorträge und publizieren zum Recht der Personenversicherung in Fachzeitzeitschriften

Die Übersicht über die versicherungsrechtlichen Entscheidungen und Trends in der Rechtsprechung wird laufend aktualisiert von MPK-Partner Rechtsanwalt Melzer, Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht, der Mitglied im Fachanwaltsausschuss für Versicherungsrecht der Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamm ist.

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Aktuelle Rechtsprechung private Unfallversicherung

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Private Unfallversicherung: Ein persistierendes Foramen ovale (Loch im Herzen) ist eine unkritische Normvariante und damit kein Gebrechen im Sinne der Mitwirkungsklausel (Ziff. 3 AUB 2008)

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 19.10.2021 – 1 U 156/20

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Beklagte aus dem bestehenden Unfallversicherungsvertrag zu Recht zur Zahlung einer – jeweils verzinsten – Invaliditätsentschädigung von weiteren 114.532 € und einer monatlichen Unfallrente von 256 € seit dem 01.07.2016 nebst Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im ausgeurteilten Umfang verurteilt, hat dabei zutreffend nach sachverständiger Beratung eine Vollinvalidität des Klägers als adäquat-kausale Folge des Unfalls vom 05.07.2016 angenommen und eine Anspruchsminderung nach Ziff. 3 der hier maßgeblichen AUB 2008 im Hinblick auf das beim Kläger vorbestehende persistierende Foramen ovale (PFO) – eine offene Verbindung zwischen den beiden Herzvorhöfen – abgelehnt mit der zutreffenden Begründung, dass es sich nicht um ein Gebrechen i.S. der Mitwirkungsklausel handelt, weil aus medizinischer Sicht keine Normabweichung vorliegt, sondern eine bloße Normvariante, die regelmäßig eine einwandfreie Ausübung der normalen Körperfunktionen zulässt. Auch die sonstigen Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 ZPO) liegen vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann, und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist bzw. wenn in der Literatur in nicht unerheblichem Maß unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden (BGH, Beschluss vom 06.03.2019, Az. IV ZR 108/18, Juris, Rn. 13). Die Frage, ob das PFO, das nach den erstinstanzlichen Feststellungen zusammen mit der Thrombose der Vena jugularis – einer Folge der unfallbedingten Gesundheitsschädigung – den schweren Schlaganfall mit hochgradiger Hirnschädigung (maligner Mediainfarkt links) verursacht hat, ein Gebrechen i. S. der Mitwirkungsklausel gem. Ziff. 3 AUB 2008 darstellt oder nicht, ist zwar höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Sie ist aber auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum – soweit ersichtlich – nicht umstritten. Die von der Berufung zitierten Entscheidungen betreffen sämtlich andere Sachverhaltskonstellationen, wie vorbestehende Kniearthrose, vorbestehende Spinalkanalstenose, früherer Kreuzbandriss, degenerative Veränderungen an der Rotatorenmanschette. Das Erstgericht – und dem folgend auch der Senat – legen bei der Würdigung, wonach es sich bei dem beim Kläger vorliegenden, aus der embryonalen Zeit herrührenden persistierenden ovalen Loch zwischen dem rechten und dem linken Vorhof des Herzens um einen noch in der medizinischen Norm liegenden Körperzustand handelt und somit nicht um ein Gebrechen im Sinne der Versicherungsbedingungen, die von der Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte aufgestellten Rechtsgrundsätze zugrunde. Einer Verfahrensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO steht daher nichts entgegen. Eine mündliche Verhandlung, von der kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, ist auch aus anderen Gründen nicht geboten.

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich insgesamt als zutreffend.

1. Das Landgericht hat zutreffend – und von der Berufung nicht beanstandet – angenommen, dass der in Ziffer 1.3 näher definierte Versicherungsfall – ein Unfall – eingetreten ist und es hierbei zu gewissen Verletzungen in Form eines Polytraumas gekommen ist. Unstreitig erlitt der Kläger bei dem Motorradunfall, bei dem er mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h seitlich von einem Pkw angefahren wurde und stürzte, ein Polytrauma mit einer Rippenserienfraktur links (1. bis 8. Rippe), einer Lungenkontusion links, beidseitigen Pleuraergüssen, einem Pneumothorax, einem hämorrhagischen Schock bei Aorta-nahem Einriss der linken Nierenarterie, einem Niereninfarkt, akutem Nierenversagen, einer Beckenring- sowie einer Skapulablatt- und einer Lendenwirbelfraktur. Der Senat teilt auch die Einschätzung des Landgerichts, dass das vom Kläger beschriebene Unfallereignis vom 05.07.2016 binnen Jahresfrist zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers von 100% geführt hat. Die eine Vollinvalidität begründenden dauernden Gesundheitseinschränkungen des Klägers stehen zumindest in der Berufung nicht im Streit. Die Invalidität lag zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Universitätsklinikum Mannheim am 18.08.2016 vor, wurde durch Dr. Voigt am 20.06.2017, also vor Ablauf der 15-Monatsfrist, festgestellt und der Kläger hat in dieser Frist Leistungen gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

2. Vergeblich wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung gegen die Annahme der haftungsausfüllenden Kausalität durch das Landgericht.

a) Für die kausale Verknüpfung der primären Unfallverletzungen und der dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers gilt das Beweismaß des § 287 ZPO. Danach genügt für die richterliche Überzeugungsbildung eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, dass der vom Kläger feststehende Dauerschaden in adäquat kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2011, Az. IV ZR 36/10, Juris; Grimm/Kloth, Unfallversicherung, AUB Kommentar, 6. Aufl. 2021, Ziff. 2 AUB Rn. 62). Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung besteht nach der Äquivalenztheorie, wenn der Unfall im Sinne einer conditio sine qua non nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele. Dabei ist Mitursächlichkeit ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2016, Az. IV ZR 521/14, Juris, Rn. 14).

b) Weiterhin muss nach der Adäquanztheorie das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz ungewöhnlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet sein (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2016, Az. IV ZR 521/14, Juris, Rn. 15). Davon geht das Landgericht zutreffend aus.

Die die Invalidität des Klägers begründenden dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruhen wesentlich auf dem schweren Schlaganfall mit hochgradiger Hirnschädigung (maligner Mediainfarkt links), der während der intensivmedizinischen Behandlung der primären Unfallfolgen nach Extubation des Klägers am 20.07.2016 eintrat.

Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S. hält als Ursache dieses Schlaganfalls eine Gefäßverletzung der hirnführenden Gefäße im Rahmen des Unfalls für unwahrscheinlich, da die Symptomatik erst mehr als 2 Wochen nach dem Unfall auftrat. Auch eine arterio-arterielle Embolie oder ein lokaler Gefäßverschluss ist aufgrund des jungen Alters des Klägers mit fehlenden Zeichen einer fortgeschrittenen Artherosklerose unwahrscheinlich. Da im Rahmen einer weiteren cCT- Untersuchung ca. 1 Woche nach dem Erstereignis aber weitere Hirninfarkte an anderer Stelle (Kleinhirn) zu sehen waren, ist nach sachverständiger Einschätzung eine embolische Genese wahrscheinlich.

Die wahrscheinlichste Ursache für das ausgedehnte Infarktgeschehen war nach den überzeugenden und detailliert begründeten Ausführungen des Sachverständigen eine sog. gekreuzte Embolie, bei der es zu einer Verschleppung eines venösen Thrombus in das arterielle System kam. Die beim Kläger aufgetretene tiefe Venenthrombose in der Vena jugularis interna, der inneren „Drosselvene“ am Hals, war dabei eine Thrombus-Quelle, die über das PFO zu einer gekreuzten Embolie und so zum Schlaganfall führen konnte. Dabei geht der Sachverständige – in Übereinstimmung mit dem von der Beklagten eingeschalteten Gutachter Dr. Komm (vgl. Gutachten vom 05.03.2018, Anl. E 1, Bl. 100 ff., 105 d.A.) und von der Berufung nicht in Frage gestellt – davon aus, dass sich aller Wahrscheinlichkeit nach im Bereich der Vena jugularis interna ein Thrombus gelöst hatte und in Verbindung mit dem bestehenden PFO, der offenen Verbindung zwischen den beiden Vorhöfen im Herzen, ins arterielle System gelangt ist und so den Weg ins Hirn genommen und dort den Schlaganfall verursacht hat. Entsteht ein Thrombus im venösen System, folgt er, sobald er als Embolus in die Blutbahn tritt, dem anatomischen Weg bis zum rechten Vorhof, dem rechten Ventrikel folgend und gelangt grundsätzlich in die Lungenstrombahn, wo es dann zu einer Lungenembolie kommen kann. Besteht aber zwischen rechtem und linkem Vorhof das Foramen ovale, kann Blut direkt – unter Umgehung der Lunge – vom rechten in den linken Vorhof gelangen. Damit bietet das PFO die anatomische Gelegenheit über die Kurzschlussverbindung im Herzen, dass der Thrombus den Weg ins Gehirn nimmt und dort den Schlaganfall auslöst.
Das bedeutet, dass sowohl die Thrombose in der Vena jugularis als auch das bestehende PFO in ihrem Zusammenspiel den Schlaganfall und die damit zusammenhängenden schweren Dauerfolgen beim Kläger verursacht haben. Keine dieser beiden Ursachen kann hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele.

Da aber die tiefe Venenthrombose in der Vena jugularis interna als sekundärer Gesundheitsschaden kausal auf den Unfall zurückzuführen ist, war der Unfall für den erlittenen Schlaganfall und die hierdurch begründeten dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedenfalls mitursächlich. Ohne den Unfall und die erlittenen Primärverletzungen wäre es nicht zu einer tiefen Thrombose der Vena jugularis interna gekommen, denn eine Thrombose der Halsvenen ohne darin liegendes Fremdmaterial ist – so der Sachverständige – quasi unmöglich. Zu einer Thrombose der Vena jugularis interna kam es nach den eindeutigen Angaben des Sachverständigen nur, weil im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung des erlittenen Polytraumas ein zentraler Venenkatheter notwendig war, der in der Intensivmedizin eine Standardmaßnahme darstellt. Der Einriss der linken Nierenarterie musste im Rahmen einer notfallmäßigen Operation durch einen Bypass von der Aorta zur linken Niere versorgt werden. Aufgrund des erheblichen Blutverlustes war es zu einem hämorrhagischen Schock gekommen, der eine Massentransfusion mit insgesamt 11 Erythrozytenkonzentraten, 11 fresh frozen Plasmabeuteln und 5 Thrombozytenkonzentraten sowie 2 g Tranexamsäure und 8 g Fibrinogen (Mittel zur Gerinnungshemmung) erforderlich machte. Der zentrale Venenkatheter kam im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung des Klägers zum Einsatz, im Zusammenhang mit dem nach dem Polytrauma und der notfallmäßigen Operation mit Massentransfusion aufgetretenen akuten Nierenversagen, das eine kontinuierliche venovenöse Hämodialyse (CVVHD) ab dem 06.07.2016 über mehrere Tage erforderlich machte. Der dargelegte Verlauf beruhte auch nicht auf ganz ungewöhnlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zulassenden Umständen.

3. Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht zu Recht in der PFO kein Gebrechen i.S. der Mitwirkungsklausel der hier maßgeblichen Ziff. 3 AUB 2008 gesehen, so dass eine Leistungsminderung nicht in Betracht kommt.

a) Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsbeschädigung mitgewirkt, mindert sich gemäß Ziff. 3 Satz 2 AUB 2008 der Invaliditätsgrad entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens. Eine Krankheit in diesem Sinne liegt vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf, während unter einem Gebrechen ein dauernder abnormer Gesundheitszustand zu verstehen ist, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt. Demgegenüber sind Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten (BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az. IV ZR 125/18; BGH, Urteil vom 19.10.2016, Az. IV ZR 521/14; BGH, Urteil vom 23.10.2013, Az. IV ZR 98/12; jeweils Juris).

b) Als „Krankheit“ kann das persistierende Foramen ovale bereits deshalb nicht angesehen werden, weil es keiner ärztlichen Behandlung bedarf.
Das PFO, ein aus der Embryonalzeit fortbestehendes ovales Loch zwischen dem rechten und dem linken Vorhof des Herzens, das bei etwa 25% der gesunden Gesamtbevölkerung vorliegt, „stumm“, d.h. völlig beschwerdefrei, verläuft, birgt nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. zwar eine gewisse Disposition für Gesundheitsschäden in sich (indem es eine sog. gekreuzte Embolie ermöglicht, bei der es zu einer Verschleppung eines venösen Thrombus in das arterielle System kommt), lässt aber vom Grundsatz her eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen zu, ist auch nicht als „Gebrechen“, d.h. als dauernder, außerhalb der medizinischen Norm liegenden Körperzustand zu verstehen. Davon geht das sachverständig beratene Landgericht in nicht zu beanstandender Beweiswürdigung aus. Die dagegen vorgebrachten Berufungsangriffe sind unbegründet.

c) Der Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des BGH, demnach bereits eine bloße Verstärkung der gesundheitlichen Folgen eines Unfalls durch eine frühere Verletzung als Mitwirkung eines „Gebrechens“ zu werten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08.09.2009, Az. IV ZR 216/07, Juris, zu einem früheren Kreuzbandriss), und der Gebrechensbegriff auch erfüllt ist, wenn die Vorschädigung bislang klinisch stumm verlaufen ist, vorausgesetzt, sie hat zur Verstärkung der Folgen des späteren Unfalls beigetragen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2016, Az. IV 1 U 156/20 ZR 521/14, Juris, zu vorbestehender Spinalkanalstenose; sowie OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2017, Az. 8 U 94/17, Juris, zu degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette; OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.10.2019, Az. 5 U 97/18, Juris, zu einer beginnenden Kniearthrose), und hieraus herleitet, dass allein der Gesundheitszustand (PFO) – auch wenn er sich grundsätzlich nicht nachteilig bemerkbar macht – ausreicht, sofern er tatsächlich die Unfallfolgen verstärkt hat, geht fehl. Denn bei dem Vorzustand muss es sich – und das ist aus Sicht des Senats letztlich maßgebend – um einen abnormen Gesundheitszustand handeln. Eine lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller Körperdisposition kann demnach solange nicht als Gebrechen bewertet werden, wie sie noch als innerhalb der medizinischen Norm liegend angesehen werden kann (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az. IV ZR 125/18, Juris, im Fall einer vorgeschädigten Supraspinatussehne, unter Hinweis auf BGH Urteil vom 19.10.2016, Az. IV ZR 521/14; BGH, Urteil vom 23.10.2013, Az. IV ZR 98/12; jeweils Juris.

d) Ein solches Verständnis legt auch die Mitwirkungsklausel nahe.
AGB sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (BGH, Urteil vom 20.07.2016, Az. IV ZR 245/15, Juris, Rn. 24). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut (BGH, Urteil vom 23.06.1993, Az. IV ZR 135/92, Juris). Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 09.05.2018, Az. IV ZR 23/17, Juris). Dabei sind Risikoausschlussklauseln oder risikobegrenzende Klauseln wie hier die Mitwirkungsklausel eng auszulegen. Bei ihnen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH, Urteil vom 22.02.2018, Az. IV ZR 318/16; BGH, Urteil vom 20.07.2016, Az. IV ZR 245/15; jeweils Juris).
Der Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut aus und versteht Ziff. 3 S. 2 AUB 2008 so, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen und zur Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Er entnimmt schon aus Ziff. 3 S. 1 AUB 2008, dass der Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren Folgen bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen wie Krankheiten oder konstitutionelle bzw. schicksalhaft bedingte gesundheitliche Anomalien (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az. IV ZR 125/18, Juris, Rn. 18). Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht führt in der von Beklagtenseite zitierten Entscheidung (Urteil vom 06.03.2014, Az. 16 U 95/13, Juris, Rn. 34 ff.) insoweit instruktiv aus, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer annehmen wird, dass ein Gebrechen vorliegt, wenn es der bei ihm vorliegenden Konstitution an der für einen gesunden Körper medizinisch vorausgesetzten Normalität fehlt oder sein Körperzustand von dieser Normalität abweicht. Er wird verstehen, dass es dafür nicht darauf ankommt, dass er wegen des Gebrechens schon konkrete Beschwerden hat, behandelt wird oder (eigentlich) behandlungsbedürftig wäre. Denn dann wäre der abnorme Körperzustand bereits durch den Begriff der Krankheit erfasst und der Begriff des Gebrechens wäre überflüssig. Auch wird er den Begriff nicht im landläufigen Sinne einer Altersgebrechlichkeit verstehen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 06.03.2014, Az. 16 U 95/13, Juris, Rn. 36). Vor diesem Hintergrund wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer ein Gebrechen als einen anhaltenden Zustand seines Körpers begreifen, der von dessen regulärer (normaler, gesunder) Funktionsweise abweicht; dabei wird er in Bezug auf das Problem der schleichenden Degeneration wie auch des Umstandes, dass es innerhalb der medizinischen Normen des Gesunden auch tolerable (und nicht schon krankhaft zu nennende) Abweichungen geben kann, verstehen, dass normale Verschleißerscheinungen und unkritische Normvarianten noch nicht als Gebrechen eingeordnet werden können, und dies auch dann nicht, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten.

In diesem Sinne wird dementsprechend unter einem Gebrechen ein andauernder Gesundheitszustand verstanden, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt (Grimm/Kloth, 6. Aufl. 2021, AUB 2014 Abs. 3 Ziff. 3 Rn. 6). Damit kommt es entscheidend darauf an, ob das persistierende Foramen ovale aus medizinischer Sicht eine Normabweichung darstellt oder aber eine unkritische Normvariante. Das Landgericht hat, gestützt auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S., die auch der Senat zugrunde legt, in der beim Kläger vorbestehenden PFO einen körperlichen Zustand gesehen, der nicht über das Maß einer unkritischen Normvariante hinausgeht. Danach liegt ein PFO etwa bei 25% der gesunden Gesamtbevölkerung vor, ist demnach nicht selten, wird – wenn es zufällig festgestellt wird – nach medizinischen Standards nicht als Diagnose festgehalten, sondern lediglich als Befund, es sei denn, es wäre bereits ein Schlaganfall aufgetreten. Ansonsten ist das PFO – so der Sachverständige – für den Betreffenden ohne Bedeutung und hat keinen Einfluss auf die normalen Körperfunktionen, die einwandfrei ausgeübt werden können. Betroffene können alles tun, mit einer gewissen Einschränkung lediglich beim Tiefseetauchen wegen des Hinzutretens von Druckunterschieden.

e) Soweit die Beklagte argumentiert, bei der Frage, ob ein normabweichender Zustand vorliege oder nicht, müsse auch die Schwere der möglichen Folgen berücksichtigt werden, je schwerer die Folge aufgrund einer bestehenden Disposition für Gesundheitsschäden sei, umso eher sei von einer Normabweichung auszugehen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. So hat der BGH im Fall einer Nussallergie, bei der der Allergiker grundsätzlich problemlos und uneingeschränkt leben kann, sofern er den allergenen Stoff meidet, aufgrund der außergewöhnlichen individuellen Ausprägung der Allergie bei dem verunglückten Kind, bei dem bereits geringe Mengen an sich unschädlicher Nahrungsbestandteile, vor allem Nüsse, zu einer lebensgefährlichen anaphylaktischen Reaktion führen konnten, erkannt, dass die Nussallergie aufgrund ihrer außergewöhnlichen individuellen Ausprägung außerhalb der medizinischen Norm lag (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2013, Az. IV ZR 98/12, Juris). Zwar ist im Streitfall durch die PFO eine erhöhte Disposition für den Eintritt eines Schlaganfalls gegeben, wenn es zusätzlich zu einer Venenthrombose kommt. Im Unterschied zu der Schwere der drohenden Symptome bei der Nussallergie kam dort aber noch maßgeblich hinzu, dass die allergische Reaktion besonders leicht auslösbar war, ein Umstand, an dem es im Streitfall fehlt. Hier bestand durch die vorbestehende PFO die erhöhte Empfänglichkeit für einen drohenden schweren Schlaganfall nur im Zusammenwirken mit einem sich lösenden Thrombus in einer Vene. Selbst angesichts der Schwere der in diesem Fall drohenden Symptome, die der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S. auch benannt hat, war hier nicht von einer Normabweichung auszugehen, sondern einer insgesamt unkritischen Normvariante.

Hinweis: 
Die Beklagte, der Versicherungsverband Bayern, hat auf diesen Hinweis die Berufung zurückgenommen. Zugunsten unseres Mandanten ist das Urteil des LG Frankenthal damit in Rechtskraft erwachsen.


Private Unfallversicherung: Pflicht zur Einholung eines vom Versicherungsnehmer beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens zur Bestimmung des unfallbedingten Dauerschadens

OLG Nürnberg, Urteil vom 19.08.2021 – 8 U 1139/21

Im Unfallversicherungsprozess ist es dem Gericht nicht gestattet, die Einholung eines vom Versicherungsnehmer beantragten Sachverständigengutachtens mit der Begründung abzulehnen, aufgrund zweier vom Versicherer beauftragten Privatgutachten sei erwiesen, dass die auf medizinischem Gebiet zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Ein solche Verfahrensweise verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und stellt einen wesentlichen Mangel i.S.d. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO dar.


Private Unfallversicherung: Die Invalidität muss konkret-individuell bewertet werden und nicht anhand von Standardtabellenwerke wie Schiltenwolf/Hollo/Gaidzik, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane

LG Krefeld, Urteil vom 21. Juli 2021 – 2 O 170/19

1. Die Bewertung von Arthroseschmerzen (und wohl auch die Bewertung von Schmerzen insgesamt) erfolgt in den Standardtabellenwerken zur Unfallversicherung wie demjenigen von Schiltenwolf/Hollo/Gaidzik, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, Thieme Verlag grundsätzlich fehlerhaft, so dass die hierauf gestützte sachverständige Bewertung ebenfalls unzureichend ist.

2. Für die Bewertung einer Funktionsbeeinträchtigung nach der sog Gliedertaxe ist es unerheblich, ob eine Funktion objektiv nicht ausgeführt werden kann oder deshalb unterlassen wird, weil der Schmerz zu groß wird; entscheidend ist allein, dass bestimmte Bewegungen nicht mehr vollzogen werden.


Streitwert für ein selbständiges Beweisverfahren in der privaten Unfallversicherung

OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 8 W 1518/21 

Der Streitwert für ein selbständiges Beweisverfahren, bei dem im Rahmen einer Unfallversicherung der Grad der Invalidität festgestellt werden soll und bei dem es nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt, richtet sich nach der potentiellen Invaliditätsleistung, die sich aufgrund der Angaben des Antragstellers ergeben würde.


Ausschluss des Unfallversicherungsschutzes für Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen und Eingriffe am Körper der versicherten Person (Betäubungsspritze ins Auge)

LG Offenburg, Urteil vom 25. März 2021 – 2 O 425/20

Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig aber unbegründet, da der Kläger gegen die Beklagte keine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag hat. Dies deshalb, weil für Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe am Körper der versicherten Person gemäß Ziffer 5.2.3 der AUB 2003 kein Versicherungsschutz besteht. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Klausel hat der Ausschluss lediglich zur Voraussetzung, dass die Gesundheitsschädigung die adäquate Folge einer Heilmaßnahme ist. Allerdings muss sich dabei eine Gefahr verwirklicht haben, die der durchgeführten Heilmaßnahme eigentümlich ist. Der erkennbare Zweck der Klausel ist es, solche Unfälle vom Deckungsschutz auszunehmen, die die Folge einer medizinischen Behandlung sind. Medizinische Behandlung in diesem Sinne sind nach diesem Sinnzusammenhang zu Heilzwecken vorgenommene ärztliche Handlungen auch dann, wenn sie mit dem Einsatz von Medikamenten oder technischen Hilfsmitteln verbunden sind. Von dem Ausschluss nicht erfasst sind dagegen solche einen Schaden verursachende Umstände, die nur zufällig mit der Heilmaßnahme in Zusammenhang stehen, sich nur bei Gelegenheit der Heilmaßnahme ausgewirkt haben, wie etwa ein Ausrutschen und Fallen in der Arztpraxis. Denn dabei handelt es sich um Risiken des täglichen Lebens, gegen die Unfallversicherungsschutz gewährt werden soll (BGH, Urteil vom 21.09.1988 – IVa ZR 44/87, r + s 1988, 383; OLG Stuttgart, Urteil vom 25.08.2005 – 7 U 94/05, r + s 2007, 257, 258; HK-VVG/Rüffer, 4. Aufl. 2020, AUB 2014, Rn. 38 ff.). Bei der Entfernung eines Lipoms handelt es sich um eine Heilmaßnahme. Diese hat spätestens in dem Moment begonnen, als der Arzt mit der Betäubungsspritze in Richtung Gesicht des Klägers ansetzte. Die adäquate Kausalität zwischen Heilmaßnahme und Gesundheitsschädigung ist gegeben, da es nicht völlig außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt, dass einem Arzt ein medizinisches Präzisionsinstrument – noch dazu unter Berücksichtigung der angespannten Behandlungssituation – verrutscht, gerade weil diese in der Regel klein sind (vgl. Scheren, Zangen, Bohrer, Skalpelle, Pinzetten etc.). Darüber hinaus hat sich auch die Gefahr verwirklicht, die der durchgeführten Maßnahme eigentümlich ist. Spritzen sind – ähnlich wie ein Skalpell oder ein Bohrer – in der Regel kleine, spitze Gegenstände, die folglich leicht aus der Hand rutschen und gerade aufgrund ihrer bestimmungsgemäßen objektiven Gefährlichkeit unbeabsichtigte Begleitschäden verursachen können. Von einem nur zufälligen Zusammenhang mit einer Heilmaßnahme, z.B. dem Herunterfallen einer Spritze vom Regal des Arztes auf den auf dem Behandlungsstuhl liegenden Kläger, kann mit anderen Worten keine Rede sein.


Anforderungen an die Invaliditätsbescheinigung in der privaten Unfallversicherung

OLG Dresden, Beschluss vom 05. Januar 2021 – 4 U 1586/20

  1. Auch wenn an eine Invaliditätsbescheinigung in der privaten Unfallversicherung keine hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt es nicht, wenn sie nur die Invalidität als solche bescheinigt aber keine Feststellung enthält, ob das Unfallereignis hierfür (mit-)ursächlich gewesen ist.
  2. Die Belehrung über die vertragliche Ausschlussfrist für die Vorlage dieser Bescheinigung kann auch auf dem Schadensantragsformular erfolgen, es ist nicht erforderlich, dass der Hinweis bei dem Versicherungsnehmer verbleibt.
  3. Die Berufung auf eine verspätete Vorlage einer Invaliditätsbescheinigung ist nicht allein deswegen als treuwidrig anzusehen, weil der Versicherer nach Fristablauf in die Prüfung seiner Einstandspflicht eingetreten war.

Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung

OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 7 U 600/19

Bei einer Bescheinigung eines psychologischen Psychotherapeuten handelt es sich nicht um die Feststellung eines Arztes.


Berücksichtigung einer Vorinvalidität bei unfallbedingter Erblindung auf einem Auge

LG Köln, Urteil vom 25. November 2020 – 26 O 340/16

1. Bei der Beurteilung der Gebrauchsfähigkeit eines Auges ist grundsätzlich von der durch eine Brille korrigierten Sehkraft auszugehen. Hiervon ist jedoch ein Abschlag für diejenige Minderung der Gebrauchsfähigkeit zu machen, die sich aus der Notwendigkeit des Tragens der Brille und den damit generell verbundenen Belastungen ergibt (BGH, 27. April 1983, IVa ZR 193/81).

2. Das Trage einer Kunstlinsenimplantation stellt bei einer 60 Jahre alten versicherten Person eine Vorinvalidität dar.


Nachweis eines unfallbedingten Dauerschadens – Beschwerden nach einem plötzlichen Umknicken

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 20. November 2020 – 5 U 106/19

1. Zum Nachweis eines unfallbedingten Dauerschadens – hier: Beschwerden nach einem plötzlichen Umknicken über den Fußaußenrand.

2. Haben neben der unfallbedingten Verletzung auch unfallfremde Umstände zu der Invalidität beigetragen, so bemisst sich der Grad der unfallbedingten Invalidität nach der Systematik der Versicherungsbedingungen zunächst einheitlich nach der durch den Unfall mitverursachten Funktionsbeeinträchtigung des betroffenen Körperteils, während die mitursächliche Vorschädigung erst hiernach als Vorinvalidität oder als Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen zu berücksichtigen ist (Festhaltung OLG Saarbrücken, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 5 U 97/18).


Abschluss der für den Anspruch auf Tagegeld maßgeblichen ärztlichen Behandlung

BGH, Urteil vom 04. November 2020 – IV ZR 19/19 

Die nach Ziffer 2.5 AUB 2008 für den Anspruch auf Tagegeld in der Unfallversicherung maßgebliche ärztliche Behandlung endet nicht stets mit der letzten Vorstellung beim Arzt. Sie umfasst vielmehr regelmäßig die Dauer der von dem Arzt angeordneten Behandlungsmaßnahmen.


Anspruch eines Versicherungsnehmers auf eine Sofortleistung bei einer schweren Erkrankung

LG Kiel, Urteil vom 25. September 2020 – 5 O 206/19

1. Zu dem empirischen Tatbestandsmerkmal “ungewöhnlich” i.S.d. § 305c BGB muss als zweite normative Voraussetzung hinzukommen, dass der andere Teil mit der Klausel nicht zu rechnen braucht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2013, XI ZR 417/11, NJW 2013, 1803).

2. Fehlt es in einem Prospekt gänzlich an einer Einschränkung in Bezug auf eine Sofortleistung bei schweren Erkrankungen, muss ein durchschnittlicher Kunde mit einer sich aus den Versicherungsbedingungen ergebenden Einschränkung dahingehend, dass nur bestimmte schwere Erkrankungen vom Versicherungsschutz umfasst sind, nicht rechnen.


Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erstbemessung der Invalidität

OLG Dresden, Beschluss vom 05. August 2020 – 4 U 322/20

Maßgeblich für die Erstbemessung der Invalidität in der Unfallversicherung ist allein der Zeitraum des Ablaufs der Invaliditätsfrist. Auf die Drei-Jahresfrist für die Neubemessung kommt es nur dann an, wenn der VN noch vor Ablauf dieser Frist klageweise Invaliditätsansprüche geltend macht.


Versicherungsschutz für Gesundheitsschädigung durch eine Immuntherapie

OLG Zweibrücken, Urteil vom 08. Mai 2020 – 1 U 73/18

1. Bei der zur Anwendung gebrachten Immuntherapie, nämlich der Behandlung eines unter multipler Sklerose leidenden Versicherungsnehmers mit Infusionen mit dem Medikament Tysabri, das den Wirkstoff Natalizumab enthält, die zu einer dauerhaften Gesundheitsschädigung geführt hat (hier: akuter Schwankschwindel und Gangverschlechterung sowie Schwächung der Beine sowie Gleichgewichts- und Konzentrationsstörungen), handelt es sich nicht um eine bedingungsgemäße Schutzimpfung im Sinne von Nr. 5.2.4.4 AUB 2012; sie ist einer Impfung auch nicht gleichzusetzen. Vielmehr handelt es sich um eine therapeutische Heilmaßnahme, die nach Nr. 5.2.3 AUB 2012 keinem Versicherungsschutz in der Unfallversicherung unterliegt.

2. Die Gabe der Antiköper diente nämlich nicht dem Ziel, vor einer (übertragbaren) Krankheit zu schützen oder deren Verlauf abzuschwächen, sondern im Ergebnis der Vermeidung der mit der Krankheit multiple Sklerose verbundenen Schübe. Die Immuntherapie stellt auch dann keine (Schutz-)Impfung dar bzw. ist einer solchen gleichzusetzen, wenn man – zugunsten des Versicherungsnehmers – die Begriffsbestimmungen und Beurteilungen nicht aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, sondern auf der Grundlage medizinischer Fachkenntnisse vornimmt.


Leistungsausschluss bei Erfrierungen durch Arbeiten in einer Tiefkühlanlage

Oberster Gerichtshof Wien, Beschluss vom 24. April 2020 – 7 Ob 66/20

Bei Erfrierungen handelt es sich um Gesundheitsbeschädigungen, nicht jedoch um Unfallereignisse, die “plötzlich” auftreten. Vom Versicherungsschutz in der privaten Unfallversicherung sind sie daher nur dann gedeckt, wenn sie durch ein Unfallereignis verursacht werden.

MPK-Anmerkung: Das Einwirken ist die Kälte. Das geschieht auch plötzlich. Das hat der Gerichtshof in Wien verkannt.


Zum Begriff der Invalidität

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. Februar 2020 – 11 U 44/17

1. Bei der Invalidität im Sinne der VdVA-AUB, deren Eintritt nach den getroffenen Vereinbarungen den Leistungsfall begründet, handelt es sich um eine Unfallfolge, was regelmäßig – abgesehen von Ausnahmen – bedingungsgemäß voraussetzt, dass die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten hat.

2. Aus einem Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie kann sich ergeben, dass sich (hier: im Bereich der Halswirbelsäule) bereits keine unfallbedingte Gesundheitsschädigung feststellen lassen. Dies kann der Fall sein, wenn sich durch das Unfallereignis herbeigeführte strukturelle Veränderungen nicht nachweisen lassen.

3. Bei einer passageren Beschwerdesymptomatik (hier: für zwölf Wochen) fehlt es jedenfalls am Kriterium der Dauerhaftigkeit.


Bemessung des Invaliditätsgrades außerhalb der Gliedertaxe bei einer operativen Versteifung zweier Wirbelkörper

OLG Hamm, Urteil vom 24. Januar 2020 – I-20 U 143/18

1. Zu einem Invaliditätszuschlag nach Wirbelkörperfraktur und Versteifungsoperation (Invalidität hier an sich 10 %) wegen verminderter Kompensationsfähigkeit (von hier weiteren 5 Prozentpunkten).

2. Ein (mitwirkendes) Gebrechen liegt – nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers – nur vor, wenn [hier nicht diskutiert: und soweit] der gesundheitliche Zustand der versicherten Person von dem altersentsprechenden Zustand abweicht [siehe dazu jetzt auch BGH, Urt. v. 22. Januar 2020 – IV ZR 125/18, Rn. 20 f.]. Altersentsprechende Verschleißerscheinungen zählen dazu auch dann nicht, wenn sie erheblich sind. Die Beweislast für das Vorliegen eines Gebrechens liegt beim Versicherer; dies gilt auch für das Überschreiten des altersentsprechenden Zustands. Lassen sich dazu – wie im Streitfall – nach sachverständiger Beratung keine Feststellungen treffen, hat der Versicherer uneingeschränkt zu leisten.

3. Offen bleibt die Frage, wann eine – einerseits – „klinisch stumme“  Veränderung (welche nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Gebrechen sein kann: BGH, Urt. v. 19. Oktober 2016 – IV ZR 531/14, Rn. 23) – andererseits – „eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt“ (was nach ständiger Rechtsprechung gerade auch des BGH weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Gebrechens ist: etwa ebd. Rn. 22).


Verletzung “an Gliedmaßen” bei Ruptur der Supraspinatussehne; Anspruchsminderung wegen Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen bei einer Sehnenruptur

BGH, Urteil vom 22. Januar 2020 – IV ZR 125/18

1. Eine Ruptur der Supraspinatussehne ist eine Verletzung “an Gliedmaßen” im Sinne von Nr. 1.4.1 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2008).

2. Eine Minderung wegen Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen nach Nr. 3 AUB 2008 kann auch bei einer Sehnenruptur in Betracht kommen.


Rückforderung von Vorschusszahlungen im Wege der Aufrechnung

OLG Hamm, Beschluss vom 08. Januar 2020 – I-20 U 189/19 –, juris

Hat der Unfallversicherer nach Zahlung von Vorschüssen und nach Zwischennachrichten Tagegeld zuletzt vorbehaltlos gezahlt, kann einem Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB der Einwand von Treu und Glauben entgegenstehen (so auch im Streitfall; im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. September 2019 – IV ZR 20/18).

1. Im Einzelfall kann sich ein Versicherungsnehmer bezüglich eines Rückforderungsanspruchs auf § 242 BGB berufen, wonach dem Versicherer eine Rückforderung im Wege der Aufrechnung verwehrt ist (vgl. BGH, 11. September 2019, IV ZR 20/18).

2. Dies ist der Fall, wenn der Versicherer ausdrücklich nur Vorschüsse zahlt und ankündigt, der Versicherungsnehmer würde von ihm wieder hören, sobald ein angefordertes Gutachten vorliege, der Versicherer aber sodann in einer Abrechnung Leistungen zuerkennt und die Vorschusszahlungen in Abzug bringt, ohne auf das fehlende Vorliegen des angeforderten Gutachtens zu verweisen. Dann darf der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass der Versicherer diese Leistungsentscheidung nicht erneut überprüfen wird.


Leistungsausschlussklausel eines Unfallversicherers hinsichtlich Krankenhaustagegeld bei stationärem Aufenthalt in Rehaklinik

BGH, Urteil vom 08. Januar 2020 – IV ZR 240/18

Eine Unfallversicherungsbedingung, nach der Krankenhaustagegeld bei einem Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten entfällt, schließt diesen Anspruch auch für den Aufenthalt in einer Rehaklinik aus.


Begriff der “erhöhten Kraftanstrengung”

OLG München, Urteil vom 29. November 2019 – 25 U 543/19

1. Der Begriff der “erhöhten Kraftanstrengung”, deren körperliche Folgen nach den Unfallversicherungsbedingungen auch als Unfall gelten können, ist so auszulegen, dass einerseits ein Einsatz von Muskelkraft vorliegen muss, der über den normalen mit jeder körperlichen Bewegung verbundenen Kraftaufwand hinausgeht und dass andererseits nur solche Anstrengungen erfasst sind, die über die im täglichen Leben noch üblichen Anstrengungen hinausreichen.

2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Versicherungsnehmer vom Fahrersitz seines Pkw mit dem rechten Arm durch den Zwischenraum zwischen den Sitzen nach hinten greift, um eine Kiste auf der Rückbank nach vorne zu ziehen und daraus etwas zu entnehmen.


Transparenz der Klausel “erhöhte” Kraftanstrengung in Unfallversicherungsvertrag

BGH, Urteil vom 20. November 2019 – IV ZR 159/18

Die Formulierung “erhöhte” Kraftanstrengung in Nr. 1.4 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2010 ist nicht intransparent.

Orientierungssatz

1. Ein Unfallversicherer ist gehalten, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Die Klauseln müssen die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden.

2. Nach dem Wortlaut der Klausel einer “erhöhten” Kraftanstrengung kommt es darauf an, dass und inwieweit sich der Versicherte angestrengt hat. Daraus wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer folgern, dass für die Frage, ob ein Bewegungsablauf oder eine Tätigkeit eine erhöhte Kraftanstrengung im Vergleich zu normalen Abläufen des täglichen Lebens erfordert, auf die individuellen körperlichen Verhältnisse abzustellen ist. Der Unfallfiktion sollen nur solche Gesundheitsbeeinträchtigungen unterfallen, die durch eine für ihn das normale Maß übersteigende Beanspruchung auftreten, so dass erkennbar ist, dass der Versicherungsschutz nicht grenzenlos gewährt wird.


Invalidität in der privaten Unfallversicherung nach einer HWS-Distorsion

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Oktober 2019 – 9 U 152/17

1. Führen Schmerzen der Halsmuskulatur nach einer HWS-Distorsion zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen, ist die Gliedertaxe in der privaten Unfallversicherung nicht anwendbar. Die Abschätzung des Invaliditätsgrades kann jedoch vergleichbare Verluste der Funktionsfähigkeit in den Armen berücksichtigen, auf welche die Gliedertaxe Anwendung findet.

2. Dauerhafte Bewegungseinschränkungen wegen Schmerzen in der Halsmuskulatur nach einer HWS-Distorsion können zu einem Invaliditätsgrad von 25 % führen.

3. Die Auffassung eines Sachverständigen, eine HWS-Distorsion könne eine gesundheitliche Dauerfolge, die nicht rein psychischer Natur ist, nur dann verursachen, wenn nach dem Unfall ein pathomorphologisches Schadenssubstrat festgestellt wurde, entspricht nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft.

4. Die Darstellung eines medizinischen Sachverständigen, es sei nachgewiesen, dass eine Begleitung von Unfallopfern nach einer HWS-Distorsion durch Rechtsanwälte im Durchschnitt zu einem längeren Heilungsverlauf führe, entspricht nicht dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft.


Leistungsausschluss in der Unfallversicherung bei einer Selbststrangulation ohne Suizidabsicht

OLG Nürnberg, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 8 U 2209/18

1. Eine gezielt herbeigeführte Selbststrangulation, auch wenn diese nicht in Suizidabsicht erfolgt, erfüllt den Ausschlusstatbestand der Nr. 5.2.3 AVB. Hierfür ist es irrelevant, ob die gezielte Strangulation aus autoerotischen oder anderen Motiven erfolgt.

2. Der Ausschluss bei Eingriffen soll immer dann greifen, wenn sich deren spezifische Gefahr verwirklicht, auch dann, wenn der Eingriff anders verläuft als ursprünglich geplant oder die Gesundheitsschädigung durch Akte verwirklicht wird, die den Eingriff vorbereiten, begleiten oder diesem nachfolgen. Es soll gerade nicht darauf ankommen, ob die Heilmaßnahme planmäßig durchgeführt wird. Der Ausschluss greift nur dann nicht, wenn keinerlei innerer Zusammenhang mit dem Eingriff besteht und der Unfall sich nur anlässlich des Eingriffs zufällig ereignet. Diese für medizinische Heilmaßnahmen entwickelten Grundsätze sind auch bei anderen Eingriffen anwendbar.


Bemessung des Invaliditätsgrades bei der mehrfachen Verletzung eines Körperteils

OLG Hamm, Beschluss vom 11. Oktober 2019 – I-20 U 166/19 

Liegen mehrere Verletzungen/Beeinträchtigungen eines Arms (oder auch Beins) vor, können diese zwar zunächst getrennt bemessen werden, dürfen aber nicht addiert werden. Vielmehr ist ein einheitlicher Invaliditätsgrad unter Erhöhung der größten Einzelfunktionsbeeinträchtigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Beeinträchtigungen zu bilden.


Rückzahlung nach Neubemessung der Invaliditätsleistung an den Versicherer

BGH, Urteil vom 11. September 2019 – IV ZR 20/18

1. Das Fehlen eines Neubemessungsvorbehalts im Sinne von Ziffer 9.4 Satz 3 AUB in der Erklärung des Unfallversicherers über die Leistungspflicht zur Erstbemessung der Invalidität nach Ziffer 9.1 Satz 1 AUB führt nicht zu seiner Bindung an diese Erklärung im Verfahren der Erstbemessung.

2. Der Rückforderung einer Invaliditätsleistung aufgrund geänderter Erstbemessung der Invalidität kann aber der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Versicherer in der vorgenannten Erklärung nach Ziffer 9.1 Satz 1 AUB den Eindruck erweckt, die Höhe der vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären zu wollen.


Anspruch auf Invaliditätsleistung gegenüber privater Unfallversicherung unter Berücksichtigung der Gliedertaxe

OLG Brandenburg, Urteil vom 06. September 2019 – 11 U 65/17

1. Die Gliedertaxe in einer Unfallversicherung stellt für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab. Verletzungen an der linken Hand, d.h. an dessen vier Fingern, sind nicht nach der Gliedertaxe für die Hand, sondern für die Finger zu bewerten.

2. Nur dann, wenn infolge eines Unfalles neben dem Verlust von Fingern zusätzlich eine Invaliditätsfolge im Bereich der Hand (z.B. Versteifung des Handgelenks) eintritt, beschränken sich die Invaliditätsfolgen nicht auf einen Fingerverlust. Die durch diesen Verlust bedingte Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit von Hand und Arm stellt einen weiterreichenden Dauerschaden dar, der bedingungsgemäß zu entschädigen ist.


Höhe der Invaliditätsentschädigung bei Widerspruch zwischen Versicherungsantrag und Erstpolice; gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung des Versicherers und Schadensersatzanspruch wegen Beratungspflichtverletzung des Versicherungsagenten

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 09. August 2019 – 11 U 192/15

1. Wenn der Versicherungsantrag des Versicherungsnehmers lediglich eine Leistungstabelle mit Fünf-Prozent-Stufen für den Invaliditätsfall enthält und die Erstpolice demgegenüber eine Staffelung in Ein-Prozent-Schritten vorsieht die Genehmigungsfiktion des § 5 Abs. 1 VVG aber nicht durchgreift, da es an einem insoweit nach § 5 Abs. 2 VVG erforderlichen Hinweis fehlt, gilt der Versicherungsvertrag als mit dem Inhalt des Versicherungsantrages geschlossen (§ 5 Abs. 3 VVG).

2. Unzutreffende Auskünfte des Versicherungsagenten, die zu der gewohnheitsrechtlichen (verschuldensunabhängigen) Erfüllungshaftung des Versicherers führen würden, liegen nicht vor, wenn er lediglich geschwiegen hat, als der beim Beratungsgespräch anwesende und später Mitversicherte unrichtige Vorstellungen über die Ermittlung der Höhe der Invaliditätsentschädigung äußerte.

3. Zwar muss ein Versicherungsagent im Rahmen eines Beratungsgespräches Fragen des Interessenten oder dessen Vertreter zu dem angebotenen Produkt richtig beantworten und erkannte Fehlvorstellungen sogleich korrigieren. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn keine Fragen zur Teilinvalidität gestellt worden sind und nicht sicher festzustellen ist, dass der Versicherungsagent das (unzutreffende) Rechenbeispiel überhaupt vernommen hat.


Umfang der Informationspflicht eines Unfallversicherers bei Versicherung für fremde Rechnung

BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 – IV ZR 73/18

Bei einer Versicherung für fremde Rechnung obliegt es dem Unfallversicherer grundsätzlich nicht, die versicherte Person neben oder an Stelle des Versicherungsnehmers entsprechend § 186 Satz 1 VVG zu informieren. Das gilt auch im Falle der Anzeige des Versicherungsfalles durch den Versicherten.

Der Zweck der gesetzlichen Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles besteht darin, dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung sowie schnelle und zuverlässige Klärung des Eintritts des Versicherungsfalles zu ermöglichen. Die Anzeigepflicht eines anspruchsberechtigten Dritten sowie des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung trägt der Tatsache Rechnung, dass dieser oftmals deutlich früher als der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls erlangt.


Invaliditätsbemessung bei einer die Funktion des linken Handgelenks beeinträchtigenden Radiusfraktur unter Berücksichtigung einer Vorschädigung

LG Weiden, Urteil vom 29. April 2019 – 21 O 8/19

1. Die Nrn. 2.1.2.2.3 und 3 AUB 2008 sind kumulativ anzuwenden, wenn die Funktion eines Körperteils bereits vor dem Versicherungsfall beeinträchtigt war und diese Vorschädigung im Sinne einer Krankheit oder eines Gebrechens auch bei der durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsbeschädigung oder deren Folgen mitgewirkt hat. Bei der Berechnung der Invaliditätsentschädigung ist dabei zunächst der Grad der Vorinvalidität vor dem Unfall festzustellen. Danach ist die Leistung zusätzlich um den ermittelten Mitwirkungsanteil zu kürzen.

2. Der Unfallversicherer hat den Vollbeweis i.S. von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO dafür zu erbringen, dass Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben. Wenn dieser Nachweis erbracht ist, obliegt es der freien tatrichterlichen Würdigung, die Höhe des anzurechnenden Mitwirkungsanteils gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu schätzen. Beinhalten die Klauseln in den Versicherungsbedingungen, dass sich bei einer Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen die Leistung mindert, eine solche Kürzung aber unterbleibt, wenn das Maß der Mitwirkung einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreitet, dann muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass das Maß der Mitwirkung nicht relevant ist.

3. Bei einer dislozierten Radiusfraktur links, die die Funktion des linken Handgelenks beeinträchtigt, ist die Invalidität nicht nach dem Hand-, sondern dem Unterarmwert der Gliedertaxe zu bestimmen.


Leistungsanspruch aus einer privaten Unfallversicherungen; Feststellung des Invaliditätsgrades bei einer unfallbedingten Versteifung eines Beines

OLG Frankfurt, Urteil vom 03. April 2019 – 7 U 81/18

Führt ein Unfallschaden zu einer Versteifung eines Beines im Bereich des Unterschenkels und des Sprunggelenks und weist das Bein dabei in der Versteifung eine Schrägstellung auf, die künftig einen erhöhten Verschleiß der Knochen und Gelenke erwarten lässt, so ist die Zuerkennung eines Invaliditätsgrad von 35 Prozent als Grundlage der Leistungsansprüche aus einer privaten Unfallversicherung angemessen.


Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 03. April 2019 – 5 U 79/18

Eine formal ordnungsgemäße Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG i.d.F. vom 21. Juli 1994 ist gegeben, wenn sich die Rücktrittsbelehrung als letzte Tabellenzeile eines lediglich zwei Seiten umfassenden, insgesamt vergleichsweise übersichtlichen Antragsformulars unmittelbar oberhalb der Unterschriftenzeile befindet und mit dem Begriff „Rücktrittsrecht“ überschrieben ist. Dass der eigentliche Belehrungstext nicht in Fettdruck gehalten ist, sondern Textgröße und -gestaltung denen der anderen Tabellenzeilen entsprechen, ist unter diesen Umständen unschädlich.


Anforderungen an die fristgerechten ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. März 2019 – 11 U 107/16

1. Der fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität bedarf es nicht nur zur bloßen Wahrung einer Ausschlussfrist. Sie gehört vielmehr zu den formellen Anspruchsvoraussetzungen des objektiven Tatbestandes.
2. Die fristgebundene ärztliche Feststellung hat die Schädigung und den Bereich, auf den Letztere sich auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so zu umreißen, dass der Versicherer den medizinischen Bereich zu erkennen vermag, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss. Stets notwendig ist eine allein von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Beurteilung, ob und in welchem Umfang bestimmte Gesundheitsschädigungen auf dem Unfallereignis beruhen und ob diese die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Gefahrsperson auf Dauer mindern. Die Zukunftsprognose ist eines der Kernelemente der ärztlichen Invaliditätsfeststellung.


Voraussetzungen eines Unfallereignisses im Sinne der privaten Unfallversicherung

Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 22. Februar 2019 – 4 U 536/19

In der stoßartigen Belastung beim Auftreten des Fußes auf einen Spaten ist keine Einwirkung von außen zu sehen. Solange der Einwirkungsgegenstand nicht in unerwartete Bewegung gerät und solange der Einwirkende nicht in seiner gewollten Einwirkung und damit in seiner Eigenbewegung – etwa durch Straucheln oder Ausgleiten – beeinträchtigt ist, wirkt kein äußeres Ereignis auf seinen Körper ein. Vielmehr wirkt der Betroffene ausschließlich seinerseits auf den Gegenstand ein.

1. Ein Unfall i.S.d. § 1 Nr. 3 S. 1 AUB liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

2. Erleidet der Versicherte bei einer gezielten, von ihm vollen Umfangs gesteuerten Kraftanstrengung eine innere Verletzung, so liegt kein Unfall im Sinne der AUB vor.


Beweislast des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Auswirkung eines hirnorganischen Primärschadens auf eine die Invalidität begründende psychische Reaktion

OLG Dresden, Beschluss vom 14. Februar 2019 – 4 U 1658/18

Allein die schlüssige Darlegung eines hirnorganischen Primärschadens (hier: mildes posttraumatische brain injury (mTBi) reicht für den Anspruch auf Leistungen aus einer Unfallversicherung nicht aus. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr zusätzlich mit dem Beweismaß des § 287 ZPO beweisen, dass dieser Primärschaden zu einer die Invalidität begründenden psychischen Reaktion geführt hat. Erst im Anschluss hieran muss der Versicherer die Voraussetzungen der „Psychoklausel“ beweisen.


Marcumarbehandlung: Keine mitwirkende Krankheit oder Gebrechen

OLG Köln, Urteil vom 01. Februar 2019 – I-20 U 57/18

1. Eine Marcumarbehandlung ist nicht als Krankheit anzusehen. Denn durch die Einnahme von Marcumar wird kein regelwidriger Körperzustand herbeigeführt. Stattdessen wird dadurch der regelwidrige Gesundheitszustand, die Herzrhythmusstörung in Form von Vorhofflimmern, ärztlich behandelt, um einem Blutgerinnsel vorzubeugen.
 
2. Auch die mit der Marcumarbehandlung erreichte Blutverdünnung stellt kein Gebrechen dar. Denn eine nur erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller Körperdisposition kann nicht als Gebrechen bewertet werden, so lange sie noch innerhalb der medizinischen Norm liegt. Das ist bei einer Marcumarbehandlung der Fall.

Abgrenzung zwischen versichertem Unfallereignis und Verletzung durch Eigenbewegung; Leistungsausschluss bei durch Eigenbewegung verursachter Meniskusverletzung

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Dezember 2018 – 12 U 106/18

Allein die Arbeit mit oder an einem Gegenstand stellt keine äußere Einwirkung im Sinne eines Unfalls dar, solange dieser ausschließlich Objekt von Bemühungen bleibt, also keine unvorhergesehene Eigendynamik entwickelt und auf Grund dessen auf den Körper des Geschädigten dahingehend einwirkt, dass dieser stürzt, umknickt oder abgleitet. Hierbei erlittene Verletzungen beruhen nicht auf einem Unfall.

1. Zur Abgrenzung zwischen einem versicherten Unfallereignis und einer nicht unter den Versicherungsschutz fallenden Verletzung durch Eigenbewegung an oder mit einem Gegenstand.
 
2. Auch wenn sich der Versicherungsschutz in Erweiterung des Unfallbegriffs bedingungsgemäß auch auf die Zerrung oder Zerreißung von „Muskeln, Sehnen, Bändern oder Kapseln“ durch „erhöhte Kraftanstrengung“ erstreckt, wird hiervon eine durch Eigenbewegung verursachte Meniskusverletzung nicht erfasst.

Anerkenntnis des Versicherers bezüglich eines Invaliditätsgrads in der privaten Unfallversicherung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Dezember 2018 – 24 U 15/18
 
Der Abschluss eines auf einen bestimmten Invaliditätsgrad gerichteten deklaratorischen Schuldanerkenntnisvertrages setzt voraus, dass das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest unter bestimmten Gesichtspunkten dem Streit oder der Ungewissheit entzogen und es insoweit endgültig festgelegt werden soll mit der Folge, dass dem anerkennenden Schuldner dahingehende Einwendungen gegen die Schuld abgeschnitten sind.
 
1. Erklärungen eines VR im Rahmen der Erstbemessungspflicht gem. § 11 AUB iVm § 187 Abs. 1 S. 2 VVG stellen in der Regel kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Vielmehr wird damit dem VN lediglich eine Erfüllungsbereitschaft des Inhalts mitgeteilt, in welchem Umfang Ansprüche als berechtigt angesehen und entsprechend reguliert werden sollen.
 
2. Ein solches Abrechnungsschreiben führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast zu Lasten des VR.

Bindungswirkung der Erstbemessung bei negativen Ausgang des Neubemessungsverfahrens allein durch den Versicherungsnehmer

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Oktober 2018 – I-4 U 67/18

Stellt sich nach einer allein vom Versicherungsnehmer initiierten Neubemessung der unfallbedingten Invalidität heraus, dass diese geringer ist, als vom Versicherer bei der Erstbemessung angenommen, kann der Versicherer eine Überzahlung nicht kondizieren, wenn für den VN nicht unmissverständlich ist, dass er mit seinem Neubemessungsverlangen die bislang erhaltenen Leistungen gefährdet.
 
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird angesichts des Wortlauts der Klausel Nr. 9.4 AUB-MPM 2009 regelmäßig nicht auf die Idee verfallen, dass er sich durch sein Neubemessungsverlangen im Prozess dem Risiko einer Verböserung aussetzt, wenn der Versicherer sein eigenes Recht nicht ausgeübt hat. Nach dem Wortlaut der Klauseln darf der Versicherungsnehmer nach Erstfestsetzung ohne Ausübung des Rechts auf Neubemessung vielmehr annehmen, dass er im Verhältnis zum Versicherer hinsichtlich der Erstfestsetzung eine unanfechtbare Position erlangt hat.

Neubemessungsanspruch in der Unfallversicherung: Anforderungen an die Belehrung des Versicherungsnehmers; Zeitpunkt des Verjährungsbeginns

LG Schweinfurt, Urteil vom 18. September 2018 – 24 O 573/16

1. Ein vom Unfallversicherer an die versicherte Person erteilter Hinweis auf das Recht auf Neubemessung der Invalidität gemäß § 188 VVG reicht zur ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers nach § 188 Abs. 2 S. 1 VVG nicht aus, selbst wenn die versicherte Person auf Wunsch des Versicherungsnehmers und mit Kenntnis des Versicherers den Schaden gänzlich eigenverantwortlich abwickelt. Denn das Neubemessungsrecht ist und bleibt der materielle Anspruch des Versicherungsnehmers.

2. Analog zu den im Erstbemessungsverfahren geltenden Grundsätzen kann die Entstehung des Anspruchs auf Neubemessung und damit der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns erst mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen angenommen werden.


Private Unfallversicherung: Leistungspflicht bei Verhebetrauma

OLG Frankfurt, Beschluss vom 05. September 2018 – 3 U 178/17
 
1. Wollte der Versicherungsnehmer seinen auf dem Boden liegenden, erwachsenen und unter einer Spastik leidenden 80 kg schweren Sohn aufheben und führte dieser, nachdem der Versicherungsnehmer ihn von hinten im Bereich unter den Armen um die Brust umfasst hatte, plötzlich eine unwillkürliche und nicht vorhersehbare Eigenbewegung aus, wodurch der Sohn zwischen den Armen des Versicherungsnehmers wieder nach unten rutschte, weshalb der Versicherungsnehmer ruckartig zupackte, um ihn wieder aufzurichten, und erleidet er dadurch eine Brustwirbelfraktur T12, weil er beim Anheben des Sohnes eine erhöhte Kraftanstrengung aufwendete, sind die Voraussetzungen eines Unfalles i.S.d. Ziff. 1.3 AUB 2008 nicht erfüllt. Zwar können die nicht vorhersehbaren Bewegungen des Sohnes als Einwirkungen von außen aufgefasst werden. Aber nicht diese Einwirkungen haben die Gesundheitsbeschädigung des Versicherungsnehmers hervorgerufen, sondern seine Reaktion hierauf, nämlich das Nachfassen. Dieses Nachfassen stellt eine willensgesteuerte und beherrschbare Eigenbewegung dar (Verhebetrauma).
 
2. Auch eine Leistungspflicht nach dem erweiterten Unfallbegriff gem. Ziff. 1.4.1 AUB 2008 besteht nicht.

Private Unfallversicherung: Beendigung der Verjährungshemmung durch Abbruch der Verhandlungen

OLG Dresden, Beschluss vom 24. August 2018 – 4 U 1836/17

Für den Abbruch von Verhandlungen über eine private Invaliditätsversicherung reicht es aus, dass der Versicherer auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnisstandes eine Zahlung ablehnt. Nicht erforderlich ist es hierfür, dass er hierbei auch weitere Verhandlungen mit dem Versicherungsnehmer für die Zukunft kategorisch ausschließt.


Anspruch auf Rückzahlung von Leistungen aus der privaten Unfallversicherung

LG Wuppertal, Urteil vom 05. Juli 2018 – 4 O 40/18

 1. Der Rechtsgrund für die Leistung aus der privaten Unfallversicherung ist nicht durch ein wirksames Nachbemessungsverlangen der Versicherung entfallen, wenn der Versicherung ein Nachbemessungsverlangen nicht zugestanden hat. Voraussetzung für ein Nachbemessungsverlangen ist nach Ziffer 9.4 AUB-MPM 2009, dass die Versicherung dieses Recht zusammen mit ihrer Erklärung über ihre Leistungspflicht nach Ziffer 9.1 AUB-MPM 2009 ausübt.
 
2. Erklärt die Versicherung in ihrem Regulierungsschreiben, dass das Recht zur Nachbemessung unter der Bedingung vorbehalten bleibt, dass der Versicherungsnehmer seinerseits eine Neubemessung verlangt, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wenn der Versicherungsnehmer keine Neu- sondern eine Korrektur der Erstbemessung geltend macht. Die Erst- und die Neubemessung sind zu unterscheiden. Mit der Erstbemessung erklärt die Versicherung, in welchem Umfang sie einen Anspruch anerkennt, während Grundlage der Neubemessung Veränderungen im Gesundheitszustand des Versicherten gegenüber der Erstbemessung sind.
 
3. Die Versicherung kann ihrerseits keine Korrektur der Erstbemessung verlangen. Die Anerkennung eines Invaliditätsanspruchs nach Ziffer 9.1 der AUB-MPM- 2009 stellt zwar keine deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, die Versicherung ist aber nach Treu und Glauben gehindert, die Erstbemessung zu einem späteren Zeitpunkt zu ihren Gunsten anzupassen.

Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtes zur Feststellung der Erscheinungsform der sog. „chronischen Borreliose“

OLG Oldenburg, Beschluss vom 20. Juni 2018 – 5 U 36/18
 
1. Die sog. „chronische Borreliose“ stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine gemäß anerkanntem wissenschaftlichen Standard nachgewiesene pathologische Entität dar.
 
2. Zur Beweiskraft einer S-3-Leitlinie:
Als evidenzbasierte Konsensusleitlinie nahezu aller Fachverbände und beteiligten Behörden, die auf der Auswertung diverser Studien beruht, kommt der S-3-Leitlinie Beweiskraft hinsichtlich der Erscheinungsformen der Borreliose zu, die durch ein Privatgutachten nicht erschüttert werden kann.

Private Unfallversicherung: Leistungsausschließende Bewusstseinsstörung bei Schwindel durch Bücken und Aufrichten; Voraussetzungen einer Invaliditätsfeststellung

OLG Köln, Beschluss vom 12. Juni 2018 – I-20 U 66/18

1. Auch ein Schwindel kann sich als bedingungsgemäße Bewusstseinsstörung darstellen (Anschluss BGH, 17. Mai 2000, IV ZR 113/99, NJW-RR 2000, 1341). Wenn es zu einem Schwindel vor dem Sturz einer Versicherungsnehmerin durch wiederholtes Bücken und Aufrichten, wie von ihr geltend gemacht, aufgrund der für die Jahreszeit relativ hohen Außentemperatur von 25 Grad Celsius gekommen sein sollte, würde das für einen kreislaufbedingten Schwindel sprechen, der sich als gesundheitliche Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit eines Versicherten darstellt, die die gebotene udn erforderliche Reaktion auf die vorhandene Gefahrenlage nicht mehr zulässt, die also einen Versicherten außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen.

2. Die ärztliche Invaliditätsfeststellung im Sinne der AUB erfordert, dass sich aus ihr ergibt, dass eine bestimmte körperliche Beeinträchtigung auf einem bestimmten Unfall beruht und innerhalb der vereinbarten Frist – hier ein Jahr – nach dem Unfall zu unveränderlichen Gesundheitsschäden geführt hat (Anschluss OLG Düsseldorf, 13. Februar 2017, I-4 U 1/17, RuS 2018, 87).


Private Unfallversicherung: Versicherungsschutz bei Sehnenriss durch Anheben eines schweren Farbeimers; Anspruchsminderung bei Mitwirkung von Vorschäden

OLG Koblenz, Urteil vom 25. April 2018 – 10 U 33/16

1. Für den Begriff der erhöhten Kraftanstrengung im Sinne des erweiterten Unfallbegriffes nach Nr. 1.4.1 AUB 2008 ist im Sinne eines subjektiven Maßstabes entscheidend, ob im Einzelfall für den konkreten Versicherten unter Berücksichtigung seiner individuellen körperlichen Verhältnisse eine erhöhte Kraftanstrengung vorliegt.

2. Für das Vorliegen einer erhöhten Kraftanstrengung nach den individuellen Verhältnissen des Versicherten kommt es jedoch nicht darauf an, ob die Tätigkeit oder der Vorgang, die oder der zum Schadensereignis geführt hat, zum Lebens- oder Berufsalltag des Versicherten gehört und deshalb von ihm häufiger oder gar regelmäßig ausgeübt wird (hier: Anheben eines ca. 20 kg schweren Farbeimers durch einen Maler; entgegen OLG Hamm, 11. Februar 2011, 20 U 151/10, MDR 2011, 662 – Taxifahrer). Denn nach dem erweiterten Unfallbegriff in Nr. 1.4.1 der AUB 2008 wird zwar eine „erhöhte“ aber keine „außergewöhnliche“ Kraftanstrengung gefordert.

3. Eine anspruchsmindernde Berücksichtigung vorbestehender Krankheiten oder Gebrechen, die bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben (Nr. 3 AUB 2008), ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es zu der Schädigung im Rahmen eines Ereignisses nach dem erweiterten Unfallbegriff (hier: Riss einer Sehne durch erhöhte Kraftanstrengung) nicht ohne die bestehende Vorschädigung hätte kommen können (entgegen OLG Düsseldorf, 15. Juni 2004, 4 U 231/03, NJW-RR 2004, 1613).


Private Unfallversicherung: Risikoausschluss der Bewusstseinsstörung

LG Bonn, Urteil vom 13. April 2018 – 9 O 285/17

1. Der Begriff der „Bewusstseinsstörung“ in § 3 Abs. 4 AUB 1961 umfasst einen – auch kurzzeitigen – Zustand, bei dem der Versicherte einen „Schwindel“ erleidet und in dessen Folge es zu einem Sturz kommt.

2. Ist der Schwindel auf das wiederholte Bücken und sich wieder Aufrichten bei der Gartenarbeit zurückzuführen, liegt eine die Eintrittspflicht der Unfallversicherung ausschließende Bewusstseinsstörung vor.


Private Unfallversicherung: Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. März 2018 – 4 U 1/17

1. Eine ärztliche Invaliditätsfeststellung setzt voraus, dass der Arzt innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfallereignis eine schriftliche Diagnose der eingetretenen körperlichen Beeinträchtigung und deren Unfallbedingtheit festgestellt hat. Die Mitteilung, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall ohne Angabe der Verletzung fortbesteht, reicht hierfür nicht aus.

2. Eine lediglich als möglich genannte Unfallbedingtheit stellt keine ärztliche Feststellung dar.

3. Die Empfehlung weiterer Therapien und Behandlungen ohne Feststellung einer verbleibenden Beeinträchtigung stellt keine ärztliche Invaliditätsfeststellung dar.

4. Der Versicherungsnehmer trägt das Risiko einer zu spät entdeckten Invalidität.


Rückforderung einer Invaliditätsentschädigung bei fehlendem Vorbehalt der Neubemessung des Fußwertes

OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2018 – 7 U 169/16

Im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung der Versicherungsklauseln einer privaten Unfallversicherung nach §§ 133, 157 BGB darf ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nach einer Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades ohne Vorbehalt annehmen, dass er im Verhältnis zum Versicherer auch hinsichtlich der Erstfestsetzung eine unanfechtbare Position erlangt hat. Mangels Vorbehalts hat er eine Neubemessung und gegebenenfalls eine Rückforderung durch den Versicherer nicht zu befürchten. Der Versicherte kann davon ausgehen, dass der Versicherer auch eine Überzahlung hinsichtlich der Erstfestsetzung nicht mehr eigenständig geltend machen kann (Anschluss OLG Oldenburg (Oldenburg), 21. Dezember 2016, 5 U 96/16, VersR 2017, 682).


Bemessung des Grades der Invalidität

OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. März 2018 – 5 U 59/16

1. Die Gliedertaxe stellt für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab. Dieser ist maßgeblich für die Frage, welcher „feste“ Invaliditätsgrad im Einzelfall als maßgebend zugrunde zu legen ist. Abzustellen ist insoweit auf die rumpfnächste Stelle, an der sich die Verletzung auswirkt. Entscheidend ist nicht, an welchem Glied die Verletzung eingetreten ist, sondern vielmehr, welches Glied in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist.

2. Aus der Schädigung des Ellennerves im Unterarm folgende Einschränkungen der Handfunktion ändern daher nichts daran, dass der Armwert maßgeblich ist.

3. Es darf keine Addition der Invaliditätswerte erfolgen, wenn neben Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines rumpfnäheren Körperteils zugleich Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines rumpfferneren Körperteils vorliegt.


Verjährung der Ansprüche gegenüber der Unfallversicherung

LG Köln, Urteil vom 07. März 2018 – 20 O 384/17

1. Ansprüche gegenüber dem Unfallversicherer sind verjährt, wenn der Unfallversicherer bereits im August 2013 nach Einholung eines medizinischen Gutachtens jegliche Leistungen aus der Unfallversicherung abgelehnt, sowie die geleistete Vorschusszahlung zurückgefordert hat und die Voraussetzungen einer Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen nicht dargetan sind und zwar auch dann nicht, wenn man für den Verhandlungsbegriff jeglichen Meinungsaustausch über den Anspruch und seine Grundlagen genügen lässt. Denn der Unfallversicherer hat auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Versicherungsnehmerin, in welchem dieser den Versicherer über den Verfahrensstand vor dem Sozialgericht informiert hat, keine Verhandlungsbereitschaft signalisiert, sondern sich lediglich zweimal bereit gefunden, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, was ohne Relevanz ist, weil zu diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war.

2. Soweit eine Zahlung des Unfallversicherers kommentarlos auf dem Konto des Prozessbevollmächtigten der Versicherungsnehmerin eingegangen ist, liegt hierin kein Anerkenntnis bzgl. der Ansprüche auf Zahlung einer Unfallrente bzw. Invaliditätsentschädigung. Eine solche Zahlung ist vielmehr im Kontext mit dem dazugehörigen Abrechnungsschreiben zu sehen.


Anforderungen an eine fristwahrende ärztliche Invaliditätsfeststellung

OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. März 2018 – 3 U 235/16

1. Die ärztliche Feststellung der Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfallereignis ist Anspruchsvoraussetzung für die Invaliditätsleistung.

2. Aus ihr muss sich ergeben, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfallereignis festgestellt worden ist.


Rückforderung der Versicherungsleistung bei Vorbehalt der Neubemessung

OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 3 U 47/15

1. Ein Rückforderungsanspruch eines privaten Unfallversicherers hinsichtlich der erbrachten Invaliditätsleistung besteht nicht, wenn sich seine Regulierung aufgrund eines Schreibens für ihn als bindend erweist, sodass der Versicherer im Nachhinein keinen Anspruch auf Rückforderung dieser Invaliditätsleistung hat.

2. Der Unfallversicherer ist auch bei Annahme eines Anerkenntnisses nach Ziffer 9.1 AUB 99 nicht daran gehindert, die geleistete Entschädigung wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuverlangen. Ein solches Recht verbleibt dem Versicherer aber nur, wenn er sich die Neubemessung mit der Abgabe seiner Erklärung entsprechend Ziffer 9.1 in Verbindung mit 9.4 AUB 99 vorbehalten hat.


Anspruch auf Leistungen aus der privaten Unfallversicherung wegen eines Gesundheitsschadens an der Schulter nach einem Sturz

LG Düsseldorf, Urteil vom 07. November 2017 – 9 O 263/15

1. Die sich aus den Versicherungsbedingungen ergebende Voraussetzung des Vorliegens von Unfallfolgen ist nicht erfüllt, wenn zwar ein Unfall in Form eines Sturzes auf die rechte Schulter sowie Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Schulter gegeben sind, der erforderliche Ursachenzusammenhang aber nicht feststeht.

2. Es genügt zwar für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem Unfallereignis und der Gesundheitsbeeinträchtigung, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt, so dass das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen die Kausalität nicht ausschließt. Ist der Unfallmechanismus aber nicht geeignet gewesen, um an der Entstehung der Rotatorenmanschettenruptur mitzuwirken, ist ein Zusammenhang der Gesundheitsbeeinträchtigung mit dem Unfall dagegen nicht anzunehmen.


Anscheinsbeweis der Ursächlichkeit eines Sturzes für ein chronisches Subduralhämatom; Inhaltsanforderungen an eine fristwahrende ärztliche Invaliditätsfeststellung

LG Hanau, Urteil vom 07. November 2017 – 1 O 153/16

1. Besteht eine Ursache (hier: Sturz mit Beschleunigungskrafteinwirkung auf das Gehirn), die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Auslösung einer bestimmten Folge (hier: chronisches Subduralhämatom) geeignet ist, und tritt diese Folge ein, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Zusammenhang und eine vom Versicherer nachzuweisende Alternativursache würde zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nur dann ausreichen, wenn diese zumindest gleich wahrscheinlich wäre.

2. Die ärztliche Erklärung, dass die unfallbedingten Einschränkungen in körperlicher und geistiger Hinsicht „voraussichtlich dauerhaft“ sein werden stellt klar, dass die Einschränkungen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dauerhaft verbleiben werden und erfüllt die Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung.


Versicherungsschutz für einen Fallschirmspringer

AG Aschaffenburg, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 130 C 234/17

Ein Unfall, den der Versicherte einer privaten Unfallversicherung im Rahmen seiner Ausbildung zum Fallschirmspringer erleidet, unterfällt dem Flugrisiko-Ausschluss in Ziff. 5.1.4 AUB 2008, wonach kein Versicherungsschutz für Unfälle der versicherten Person als Luftfahrzeugführer (auch Luftsportgerätführer) besteht, soweit er nach deutschem Recht dafür eine Erlaubnis benötigt.


Private Unfallversicherung: Auslegung der Klausel über die Kündigung des Vertrages nach Erbringung der Leistung

BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 – IV ZR 188/16

Die Regelung in Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (hier: Nr. 10.3 AUB 2000), wonach der Vertrag durch den Versicherungsnehmer oder den Versicherer durch Kündigung beendet werden kann, wenn der Versicherer eine Leistung erbracht hat, ist dahin auszulegen, dass das Kündigungsrecht mit der ersten Leistung beginnt.


Private Unfallversicherung in Österreich: Versicherungsschutz für Erfrierungen beim Bergsteigen

Oberster Gerichtshof Wien, Urteil vom 18. Oktober 2017 – 7 Ob 32/17g

Erfrierungen sind zwar Gesundheitsschädigungen, aber keine Unfallereignisse, da sie allmählich anstatt „plötzlich“ auftreten. Sie können daher nur unter den Versicherungsschutz fallen, wenn sie durch ein Unfallereignis verursacht wurden.

Erfrierungen beim Bergsteigen (hier: Erfrierungen an beiden Vorderfüßen während des Besteigens der „Eiger Nordwand“) sind zwar Gesundheitsschädigungen, aber an sich keine von der Unfallversicherung gedeckte Unfallereignisse, weil Erfrierungen allmählich und gerade nicht „plötzlich“ auftreten. Sie können daher nur dann unter den Versicherungsschutz fallen, wenn sie durch ein Unfallereignis verursacht wurden, weil sich das Erfordernis des Plötzlichkeit lediglich auf das von außen auf den Körper wirkende Ereignis bezieht, nicht jedoch auf die Unfallfolge (Gesundheitsschädigung) (Festhaltung Oberster Gerichtshof Wien, 28. September 2016, 7 Ob 79/16t, VersR 2017, 646).


Leistungsausschluss bei tödlichem Verkehrsunfall eines versicherten Fußgängers infolge alkoholbedingter Bewusstseinsstörung

OLG Hamm, Beschluss vom 20. September 2017 – I-20 U 122/17

Unfall durch Bewusstseinstörung kann nach den Umständen anzunehmen sein, wenn ein Fußgänger mit einer BAK ca. 95 min später von 1,81‰ sich nachts entweder zweimal oder längere Zeit nicht auf dem Geh-/Radweg, sondern auf der Landstraße befindet und dort von einem Fahrzeug erfasst wird.

1. Ist ein versicherter Fußgänger bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt worden und lag seine Blutalkoholkonzentration zum Todeszeitpunkt bei 1,81 Promille kann offen bleiben, welcher BAK-Wert sich daraus für den Unfallzeitpunkt ca. 95 Minuten zuvor errechnen lässt. Denn das Verhalten des Verletzten zum Unfallzeitpunkt belegt, dass er aufgrund seines Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage war, den Anforderungen gerecht zu werden, die seine Teilnahme am Straßenverkehr in der konkreten Situation an ihn stellten, weil er (unstreitig) nachts und bei Nebel auf einer unbeleuchteten Landstraße unterwegs war, die mit 100 km/h befahren werden konnte, und er sich mehrfach auf der Fahrbahn aufhielt, obwohl neben der Fahrbahn ein Geh- und Radweg verlief und der Geschädigte auch nicht hell oder reflektierend gekleidet war. Dies zeigt, dass er aufgrund seiner Alkoholisierung nicht mehr in der Lage war, die konkrete Gefahrenlage zutreffend einzuschätzen und sein Verhalten danach auszurichten.

2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Das Gericht teilt mit, dass die Berufung nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden ist.


Anforderungen an die Bezeichnung der Invaliditätsursache in den ärztlichen Feststellungen der unfallbedingten Invalidität; Umfang des Versicherungsschutzes für Ertrinkungstod und tauchtypische Gesundheitsschädigung


Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 31. August 2017 – 4 U 820/1

1. Die nach Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung erforderliche ärztliche Feststellung der unfallbedingten Invalidität muss den „Unfall“ nicht explizit als solchen bezeichnen und nicht den diesem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt angeben. Ausreichend ist, dass die Invaliditätsursache sowohl in deren medizinischer Ausprägung als auch in zeitlicher Hinsicht so konkret bezeichnet wird, dass einerseits deren medizinischer Inhalt und andererseits der ihr zugrunde liegende Lebenssachverhalt jeweils eindeutig von etwaig in Betracht kommenden anderen Ursachen abgegrenzt werden können.

2. Ist in Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung der Ertrinkungstod einem Unfall gleichgestellt, so sind besteht damit nicht auch für solche Ereignisse Versicherungsschutz, welche sich als „Beinahe-Ertrinken“ darstellen.

3. Ist in Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung eine „tauchtypische Gesundheitsschädigung“ versichert, so muss das Schadensereignis nicht gleichzeitig die allgemeinen Voraussetzungen eines „Unfalls“ erfüllen.

4. Erleidet der Versicherte bei einem Tauchgang eine Hirnblutung, so begründet dies nicht den Anscheinsbeweis einer „tauchtypischen Gesundheitsschädigung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen.


Private Unfallversicherung: Anspruchsmindernde Berücksichtigung altersbedingter Vorschäden

OLG Celle, Beschluss vom 07. Juli 2017 – 8 U 94/17

Altersbedingte Vorschäden, die nicht die Voraussetzung einer altersentsprechenden Normabweichung erfüllen, sind bei der Ermittlung der Invaliditätsleistung als Gebrechen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn sie zur Verstärkung der Unfallfolgen geführt haben. Dies gilt auch dann, wenn die Vorschäden bisher keine Beschwerden ausgelöst haben.


Private Unfallversicherung: Berücksichtigung eines sog. Brillenabschlags bei unfallbedingtem Verlust eines Auges

OLG Hamm, Urteil vom 29. Juni 2017 – I-6 U 145/16

1. In der privaten Unfallversicherung ist nach unfallbedingtem Verlust eines Auges eine Vorinvalidität zu berücksichtigen (so genannte Brillenabschlag), wenn dem Versicherungsnehmer augenärztlich eine Brille verordnet worden war, der Führerschein mit einem Brillenvermerk versehen ist und der Versicherungsnehmer die Brille zumindest zeitweilig getragen hat.

2. Der teilweise Verlust des Farbsehens aufgrund einer betonten Grünblindheit stellt eine Funktionsbeeinträchtigung des Auges dar.

3. Die Berücksichtigung einer Vorinvalidität erfolgt nur, wenn das alterstypische Maß überschritten ist.


Private Unfallversicherung: Bemessung des Invaliditätsgrades bei Schwerhörigkeit und Tinnitus

OLG Hamm, Urteil vom 12. Juni 2017 – I-6 U 139/15

1. Zur Bemessung des Invaliditätsgrades im Rahmen eines Unfallversicherungsvertrags bei einer Schwerhörigkeit.

2. Der organische Tinnitus stellt keinen Verlust der Funktionsfähigkeit des Ohres, sondern eine zusätzliche Beeinträchtigung des Gehörs dar, die außerhalb der Gliedertaxe zu bewerten ist.

1. Die Bestimmung des Invaliditätsgrades eines Polizeibeamten aufgrund von Schwerhörigkeit nach bei einem Einsatz erlittenen Kopfverletzungen mit Trommelfellverletzung und anschließender Mittelohr-Narbenbildung kann aufgrund eines überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen erfolgen, nachdem das Prozessgericht diesem den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung vorgegeben hat; dies führt vorliegend zu der Festlegung eines Invaliditätsgrades von 10%.

2. Zitierung zu Leitsatz 2: Anschluss OLG Köln, 12. Januar 2000, 5 U 194/98, VersR 2000, 1489.


Unterlassener Hinweis des Rechtsanwalts auf die Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen in der privaten Unfallversicherung; Beweislast des Mandanten hinsichtlich eines unfallbedingten Dauerschadens

OLG München, Urteil vom 07. Juni 2017 – 15 U 161/16

1. Es kann dahinstehen, ob den beklagten Rechtsanwalt nach der Kündigung des Mandats eine Hinweispflicht gegenüber der Klägerin auf die ablaufende (Ausschluss-)Frist zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aus der Unfallversicherung getroffen hat, wenn ein dadurch verursachter (Vermögens-)Schaden der Klägerin nicht festgestellt werden kann.

2. Das Grundurteil des Landgerichts, das keine tatsächlichen Feststellungen dazu traf, ob der Klägerin durch die (hier unterstellte) Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden entstanden war oder dieser jedenfalls hinreichend wahrscheinlich ist, erging verfahrensfehlerhaft.

3. Die Klägerin hat im Anwaltsregress den Beweis eines Schadens, d.h. vorliegend der unfallbedingten Invalidität, zu erbringen. Konnte die Klägerin diesen Beweis weder mit Blick auf den geltend gemachten Bandscheibenvorfall noch hinsichtlich eines Dauerschadens an der Schulter führen, hat sie keinen Vermögensschaden erlitten.


Nachweis für fristgemäße ärztliche Feststellung der Invalidität; Anforderungen an die Invaliditätsfeststellung; Beweiskraft einer Privaturkunde

OLG Hamm, Urteil vom 12. Mai 2017 – I-20 U 197/16

1. Beweisbelastet für die fristgemäße ärztliche Feststellung der Invalidität als anspruchsbegründende Tatsache ist der Versicherungsnehmer.

2. Eine tatsächliche Vermutung über die inhaltliche Richtigkeit einer Privaturkunde kann nur zwischen den Vertragsparteien, nicht aber gegenüber Dritten gelten.

3. Eine ärztliche Bescheinigung, die nur die Diagnose eines Verdachts auf eine Erkrankung, nicht aber eine kausale Verknüpfung mit dem Unfall enthält, genügt nicht den Anforderungen an eine Invaliditätsfeststellung.


Private Unfallversicherung: Haftungsausschluss für Gesundheitsschäden an Bandscheiben

OLG Hamm, Urteil vom 10. Mai 2017 – I-20 U 89/16

Der in Nr. 4.2.1 Satz. 1 Alt. 1 AUB geregelte Haftungsausschluss für Gesundheitsschäden an Bandscheiben greift ein, wenn der Versicherungsnehmer nicht beweisen kann, dass der von ihm behauptete Unfall überwiegende Ursache für die Gesundheitsschädigung an der Bandscheibe ist . Zum Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen einem Unfallereignis und einer behaupteten Invalidität (vergleiche auch OLG Köln, Urteil vom 4. März 2016, 20 U 175/15, ZfSch 2016, 643).


Private Unfallversicherung: Bemessung des Invaliditätsgrades außerhalb der Gliedertaxe; Schultereckgelenkssprengung

OLG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2017 – 10 U 441/12

1. Wenn der Invaliditätsgrad für nicht in der Gliedertaxe aufgeführte Körperteile nach den Regeln der Invaliditätsbestimmung für andere Körperteile nach Ziffer 2.1.2.2.2. AUB, also danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist, bestimmt werden muss, bestehen keine Bedenken, z.B. bei einer Schultereckgelenkssprengung die der Schulterverletzung vergleichbare Einschränkung eines Armes und ihre Bewertung gemäß der Gliedertaxe als Vergleichswert heranzuziehen. Ein Kontrollvergleich mit den Werten nach der Gliedertaxe bleibt insoweit – auch zur Vermeidung von Nachteilen für den Versicherten – möglich.

2. Gemäß Ziffer 2.1.1.1. der AUB 2000 leistet die Versicherung eine Invaliditätsentschädigung, wenn die versicherte Person auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Vergleichspunkt hierzu ist die Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen, gesunden Versicherten im gleichen Alter. Auf typische berufsbedingte Einschränkungen kommt es nicht an.


Private Unfallversicherung: Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Februar 2017 – I-4 U 1/17

1. Eine ärztliche Invaliditätsfeststellung setzt voraus, dass der Arzt innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfallereignis eine schriftliche Diagnose der eingetretenen körperlichen Beeinträchtigung und deren Unfallbedingtheit festgestellt hat. Die Mitteilung, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall ohne Angabe der Verletzung fortbesteht, reicht hierfür nicht aus.

2. Eine lediglich als möglich genannte Unfallbedingtheit stellt keine ärztliche Feststellung dar.

3. Die Empfehlung weiterer Therapien und Behandlungen ohne Feststellung einer verbleibenden Beeinträchtigung stellt keine ärztliche Invaliditätsfeststellung dar.

4. Der Versicherungsnehmer trägt das Risiko einer zu spät entdeckten Invalidität.


Selbständiges Beweisverfahren: Bindungswirkung des vom Antragsteller vorgegebenen Beweisthemas für die Invaliditätsfeststellung in der privaten Unfallversicherung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02. Februar 2017 – 9 W 57/16

1. Im Selbständigen Beweisverfahren obliegt die Beschreibung des Beweisthemas – anders als im Hauptverfahren – dem Antragsteller. Sollen in der Unfallversicherung Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen des Versicherungsnehmers durch ein ärztliches Gutachten geklärt werden, ist das Gericht für den Beweisbeschluss in der Regel an die vom Antragsteller formulierten Fragen bzw. Behauptungen gebunden.

2. Der Antragsteller kann im Selbständigen Beweisverfahren verbindliche Vorgaben für die Beurteilung der Invalidität durch den ärztlichen Sachverständigen formulieren. (Hier: „An die Prognose sind keine hohen Anforderungen zu stellen, denn eine ärztliche Prognose beinhaltet stets eine gewisse Unsicherheit und Vermutung“).

3. Ob und inwieweit die in den Versicherungsbedingungen vereinbarte Gliedertaxe einem Gutachten zur Invalidität des Versicherungsnehmers zu Grunde gelegt werden soll, kann der Antragsteller bei der Konkretisierung des Beweisthemas gemäß § 487 Nr. 2 ZPO bestimmen.

4. Das Gericht hat in der Regel nicht zu prüfen, ob der Antragsteller bei der Formulierung der Beweisfragen die rechtlichen Voraussetzungen seines möglichen Hauptsacheanspruchs zutreffend berücksichtigt hat. Ein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO liegt schon dann vor, wenn die rechtliche Erheblichkeit des Beweisthemas zumindest nicht von vornherein gänzlich ausgeschlossen ist.


Private Unfallversicherung: Rückerstattung einer Invaliditätsleistung nach ärztlicher Neubemessung; Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 01. Februar 2017 – 11 U 95/12

1. Im Rahmen des § 812 BGB trägt regelmäßig der Bereicherungsgläubiger als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, aus denen sich seine Forderung ergeben soll, was selbst so genannte negative Tatsachen wie das Fehlen eines rechtlichen Grundes einschließt. Dies gilt auch für Rückforderungsprozesse des Versicherers gegen seinen Versicherungsnehmer wegen überzahlter Versicherungsleistungen.

2. Einem Unfallversicherer, der geltend macht, aufgrund der Erstbemessung der Invalidität sei eine zu hohe Entschädigung gezahlt worden, obliegt es, im Bestreitensfalle den Nachweis zu führen, dass der wirkliche Invaliditätsgrad geringer ist als ursprünglich angenommen (vgl. OLG Hamm, 1. März 2006, 20 U 182/05).

3. Die Invaliditätsleistung, die der Versicherer bereits nach der jeweiligen Erstbemessung entrichtet, ist keine bloße Abschlagszahlung gemäß dem Verständnis von § 14 Abs. 2 VVG.


Private Unfallversicherung: Leistungskürzung bei Vorinvalidität und Mitwirken von Krankheiten oder Gebrechen

BGH, Beschluss vom 18. Januar 2017 – IV ZR 481/15

Ein Vorschaden des Versicherungsnehmers kann kumulativ eine Leistungsminderung wegen Vorinvalidität sowie einen Abzug wegen des Mitwirkens von Krankheiten oder Gebrechen zur Folge haben (Festhaltung BGH, 15. Dezember 1999, IV ZR 264/98, VersR 2000, 444).


Private Unfallversicherung: Leistungsausschluss bei Verkehrsunfall eines alkoholisierten Fußgängers; Ausschluss des Einwandes einer Versäumung der Ausschlussfrist für die ärztliche Feststellung der Invalidität

OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Januar 2017 – 3 U 87/15

1. Eine die Leistungspflicht des Versicherers nach § 3 Nr. 4 AUB ausschließende Trunkenheit eines Fußgängers ist erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille anzunehmen. Dass eine solche vorgelegen hat, ist vom Versicherer zu beweisen.

2. Dem Versicherer ist es unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs verwehrt, sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen, wenn er den Versicherungsnehmer nach Abschluss der Leistungsprüfung nicht nochmals auf die Frist des § 8 Abs. 2 AUB hinweist.


Private Unfallversicherung: Hinweispflichten des Versicherers auf Anspruchsvoraussetzungen und Fälligkeitsfristen gegenüber einer volljährigen mitversicherten Person

OLG Oldenburg, Beschluss vom 09. Januar 2017 – 5 U 126/16

Ist nach den AUB die Wahrnehmung der Rechte aus einer Fremdversicherung ausdrücklich und ausschließlich dem Versicherungsnehmer zugewiesen (hier § 12 Abs. 1 AUB 2011), bedarf es eines Hinweises nach § 186 VVG gegenüber dem Versicherten nicht; der Versicherer genügt seiner Pflicht, wenn er den entsprechenden Hinweis dem Versicherungsnehmer erteilt.


Bemessung des Invaliditätsgrades bei Komplettruptur der Rotatorenmanschette unter Berücksichtigung degenerativer Vorschäden

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Dezember 2016 – 12 U 97/16

1. In der privaten Unfallversicherung genießt der Versicherungsnehmer im Grundsatz auch dann Versicherungsschutz, wenn Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene besondere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden; anders als im Sozialversicherungsrecht reichen im privaten Unfallversicherungsrecht grundsätzlich auch sogenannte „Gelegenheitsursachen“ aus (Anschluss BGH, 19. Oktober 2016, IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492).

2. Die Bemessung des Invaliditätsgrades – hier: für die Schulter – hat sich auch außerhalb der Gliedertaxen an den vereinbarten Taxen zu orientieren und darf insbesondere nicht zu einem Wertungswiderspruch mit diesen führen (Fortführung BGH, 1. April 2015, IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Anschluss OLG Hamm, 9. Mai 2007, 20 U 228/06, VersR 2008, 389; OLG Saarbrücken, 8. Mai 1996, 5 U 508/95, VersR 1997, 956).

3. Ein mitwirkendes Gebrechen i.S.d. § 182 VVG liegt vor, wenn bei der Gesundheitsbeschädigung oder der Ausprägung der Unfallfolgen ein vorbestehender Zustand mitgewirkt hat, der über einen normalen Verschleiß oder über das Maß einer unkritischen Normvariante hinausgeht, und dies auch unabhängig davon, ob deswegen vor dem Unfall eine akute Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat oder nicht (Anschluss BGH, 19. Oktober 2016, IV Zr 521/14, VersR 2016, 1492; OLG Schleswig, 6. März 2014, 16 U 95/13, VersR 2014, 1074).

4. Geht ein Degenerationszustand über das alterstypische Maß hinaus, ist er insgesamt als Gebrechen anzusehen; eine Unterteilung der Degeneration in alterstypische und altersuntypische Anteile erfolgt dann nicht, und alterstypische Anteile werden nicht herausgerechnet (Fortführung BGH, 19. Oktober 2016, IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492).


Private Unfallversicherung: Rückforderung zu hoher Invaliditätsleistungen

OLG Oldenburg, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 U 96/16

Hat sich der Versicherer nach den AUB 2008 das Recht auf Neubemessung bei der Erstfestsetzung der Invaliditätsentschädigung nicht vorbehalten, kann er später, wenn sich im Prozess des Versicherungsnehmers eine geringere Invalidität ergibt, eine Überzahlung nicht kondizieren (Anschluss an OLG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2008, 3 U 206/06, VersR 2009, 1653).


Ansprüche aus einer privaten Unfallversicherung; Leistungspflicht bei Gesundheitsschaden aus einem Unfallereignis; Berücksichtigung eines Vorschadens bei der Ermittlung der Höhe der Versicherungsleistung; Kurzsichtigkeit als berücksichtigungsfähiger Vorschaden des Auges

LG Arnsberg, Urteil vom 15. November 2016 – 4 O 431/14

Beim Verlust eines Auges durch ein Unfallereignis kann bei der Ermittlung der Invaliditätsrente als Leistung aus einer privaten Unfallversicherung eine Vorinvalidität wegen einer Kurzsichtigkeit des Auges jedenfalls dann nicht berücksichtigt werden, wenn die vormals am betroffenen Auge bestehende Sehschwäche (hier: Visus von 0,63) zu keiner Beeinträchtigung im Alltagsleben führte und dabei insbesondere auch das Tragen einer Brille nicht notwendig war.


Private Unfallversicherung: Invaliditätsbemessung für distale Radiusfraktur mit Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenkes

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Oktober 2016 – 41 U 17/1

In der Unfallversicherung ist bei einer distalen Radiusfraktur, die zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Handgelenkes führt, für eine Invalidität.


Anspruch auf rückwirkende „Aufzinsung“ der Invaliditätssumme aufgrund einer Neuordnung des Vertrages; Fälligkeit der Invaliditätsentschädigung

LG Münster, Urteil vom 21. Oktober 2016 – 115 O 56/15

1. Erfolgt ausweislich Ziff. 1 BB Zuwachsleistung die Erhöhung erstmals zum Beginn des zweiten Versicherungsjahres, wird dies ein durchschnittlicher, juristisch und versicherungstechnisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung dahingehend verstehen, dass hiermit ein in in der Zukunft liegender Zeitpunkt gemeint ist.

2. Auch wenn Vorauszahlungen geleistet werden, steht es einer Ablehnung gleich, wenn der Versicherer nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen keine Erklärung zu seiner Leistungspflicht abgibt. Es tritt dann Fälligkeit der Invaliditätsentschädigung ein.


Adäquater Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung bei Vorschäden

BGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – IV ZR 521/14

In der privaten Unfallversicherung genügt es für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung ist – anders als im Sozialversicherungsrecht – nicht zu verlangen. Daher schließt das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen die Kausalität nicht aus.


Bemessung des Invaliditätsgrades bei Beeinträchtigung „eines Arms im Schultergelenk“; Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden

LG Berlin, Urteil vom 06. Oktober 2016 – 7 O 266/14

1. Bei einer Beeinträchtigung „eines Arms im Schultergelenk“ ist bei der Bemessung des Invaliditätsgrades allein die vollständige Funktionsunfähigkeit des Schultergelenks mit dem vollen Armwert zu bewerten und es ist bei einer lediglich teilweisen Beeinträchtigung (allein) des Gelenks der entsprechende Teil als Invaliditätsgrad anzunehmen.

2. Stützt ein Versicherer die Ablehnung einer Invaliditätsleistung auf ein in sich schlüssiges und nachvollziehbares Sachverständigengutachten, so tritt mangels Verschulden kein Verzug ein, weswegen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht als Verzugsschaden erstattungsfähig sind.


Private Unfallversicherung: Hinweispflicht des Versicherers zum Zeitraum des Invaliditätseintritts nach dem Schädigungsereignis

OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. September 2016 – 12 U 82/16

Die Unbeachtlichkeit der Fristversäumnis nach § 186 S. 2 VVG betrifft nur solche Fristen, die der Versicherungsnehmer auf entsprechenden Hinweis durch sein Verhalten bewusst „einhalten“ oder versäumen kann. Die Frist für den Invaliditätseintritt gehört nicht dazu; denn dabei handelt es sich um eine objektive Bedingung, deren Eintritt oder Nichteintritt der Versicherungsnehmer – unabhängig von einem Hinweis – nicht willentlich beeinflussen kann.


Haftung des Arztes bei verzögerter Erstellung; eigene Obliegenheit des Patienten zur Vorlage des Attests bei der Unfallversicherung

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. Juli 2016 – 1 U 147/15

1. Verzögert ein Arzt die Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses, kommt eine Haftung nach Verzugsgesichtspunkten in Betracht.

2. Das ärztliche Zeugnis ist innerhalb einer angemessenen Zeit zu erstellen.

3. Unterliegt der Patient seinerseits der Pflicht, das ärztliche Zeugnis fristgemäß – etwa seiner Versicherung – vorzulegen, ist es grundsätzlich seine Aufgabe hierfür zu sorgen.


Unfallversicherung: Meniskusriss bei Fortbewegung in der Hocke als versicherte erhöhte Kraftanstrengung

LG Stade, Urteil vom 12. Juli 2016 – 3 O 309/15

1. Bei dem Verdrehen eines Knies in der Hocke handelt es sich um eine willensgesteuerte Eigenbewegung ohne erhöhte Anstrengung.

2. Selbst wenn man eine Fortbewegung in der Hocke („Entengang“) zugrunde legen würde, ergibt sich nichts anderes, denn selbst das schnelle Aufstehen/Springen aus der Hocke heraus genügt nicht für die Annahme einer erhöhten Kraftaufwendung.

3. Der Meniskus fällt bereits nicht unter die bedingungsgemäßen Körperteile, die durch eine erhöhte Kraftanstrengung verletzt werden können.


Private Unfallversicherung: Dauerhaftigkeit der Invalidität; Leistungsausschluss bei psychischer Beeinträchtigung als psychische Reaktion auf das Unfallereignis

OLG Hamm, Urteil vom 07. Juli 2016 – I-6 U 4/16

1. Die für die Feststellung der Invalidität erforderliche Dauerhaftigkeit ist nicht gegeben, wenn die krankheitsbedingte Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit (hier aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung) nur während akuter Phasen auftritt, deren Eintrittswahrscheinlichkeit zum maßgebenden Zeitpunkt deutlich unter 50 % liegt.

2. Eine nach Nr. 5.2.6 AUB 2008 zum Leistungsausschluss führende psychische Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit liegt dann vor, wenn sie ausschließlich auf einer psychischen Reaktion auf das Unfallereignis beruht, d.h. wenn ihre Entstehung allein mit der psychogenen Natur der Verarbeitung des Gesamtgeschehens durch den Versicherungsnehmer erklärt werden kann und wenn der Unfall und seine physischen Folgen allenfalls Auslöser für ihre Entstehung geworden sein können; davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen der Unfall und seine physischen Folgen nicht nur Auslöser, sondern der eigentliche Grund für die Entstehung der psychischen Störung worden sind, denn dann kann nicht mehr lediglich von einer psychischen Reaktion auf das Unfallereignis ausgegangen werden.


Vortragslast bei Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen wegen einer Neuroborrelioseinfektion nach Zeckenbiss; Einwand der Versäumung der Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität

OLG Koblenz, Urteil vom 06. Juli 2016 – 10 U 890/15

1. Bei Geltendmachung von Ansprüchen aus einer privaten Unfallversicherung hat der Versicherungsnehmer zum versicherten Unfallgeschehen zeitlich und örtlich konkret vorzutragen.

2. Der prozessualen Beachtlichkeit des Vortrages zum versicherten Unfallgeschehen steht nicht in jedem Fall entgegen, dass der Versicherungsnehmer auch Vermutungen und Rückschlüsse zum Geschehensablauf vorträgt. Das gilt insbesondere, wenn die Invalidität auf den Folgeerscheinungen einer Neuroborrelioseinfektion durch Zeckenbiss beruhen soll. In diesem Fall genügt der Vortrag konkreter Anhaltspunkte zu Zeitpunkt und Umständen eines Zeckenbisses und zu seiner Ursächlichkeit für die Infektion und für die behauptete Invalidität.

3. Auf die Verspätung der Frist zur Vorlage der ärztlichen Feststellung der Invalidität kann sich der Unfallversicherer nur berufen, wenn er den Versicherungsnehmer gemäß § 186 Abs. 1 VVG auf diese Frist hingewiesen hat. Selbst nach einer solchen Belehrung ist es dem Versicherer verwehrt, sich auf die Fristversäumnis zu berufen, wenn er dem Versicherungsnehmer – etwa durch eine Ankündigung, ein Sachverständigengutachten einzuholen – Anlass gegeben hat, davon auszugehen, dass die Frist für ihn nicht mehr laufe.


Anforderung an die fristwahrende Geltendmachung einer Invalidität

LG Aachen, Urteil vom 23. Juni 2016 – 9 O 250/15

Sehen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer privaten Unfallversicherung vor, dass die Invalidität binnen einer bestimmten Frist (hier: 21 Monaten) nach dem Unfall von einem Arzt festgestellt und gegenüber der Versicherung geltend gemacht werden muss, so ist die Frist nur jeweils für diejenigen Symptome gewahrt, die innerhalb der Frist tatsächlich geltend gemacht wurden. Dagegen tritt die Fristwahrung nicht auch für solche Symptome ein, die in der erfolgten Geltendmachung nicht erwähnt waren.


Maßgeblicher Untersuchungszeitpunkt für die Bemessung des Invaliditätsgrades; Invaliditätsgrad bei unfallbedingtem Tinnitus und hirnorganischem Psychosyndrom

LG Oldenburg, Urteil vom 23. Juni 2016 – 13 O 956/13

1. Grundsätzlich ist für die Bewertung unfallbedingter Dauerschäden der Ablauf der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unfallversicherung vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist maßgeblich, wenn die Parteien um eine zutreffende Erstbemessung des Invaliditätsgrades und nicht um eine Neubemessung nach Ziffer 9.4 AUB streiten.

2. Abweichend vom Ablauf der Invaliditätseintrittsfrist ist jedoch dann auf einen späteren, nach Ablauf der Invaliditätseintrittsfrist liegenden Untersuchungszeitpunkt abzustellen, wenn vom Versicherer nach Abschluss des Heilverfahrens im Einvernehmen mit dem Versicherungsnehmer ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde; in diesem Fall ist davon auszugehen, dass beide Parteien sich mit dem Untersuchungszeitpunkt als maßgeblichem Stichtag einverstanden erklären.

3. Der medizinische Sachverständige stellt in seinem Gutachten zum Hörverlust auf die durch Sprachaudiogramm und Tonschwellenaudiogramm ermittelten Werte ab.

4. Erleidet der Versicherungsnehmer durch einen Unfall eine Felsenbeinfraktur mit Beteiligung auch des Ohrknochens, die ihrerseits zur Entstehung eines Ohrgeräusches rechts geführt hat, so beruht der Tinnitus ausschließlich auf organischen Ursachen.

5. Für diesen sog. Begleittinnitus ist laut der kombinierten Tabelle von Michel/Brusis ein 10prozentiger Aufschlag auf den wegen des Hörverlustes ermittelten Invaliditätsgrad zu gewähren.

6. Hat der Versicherungsnehmer durch den Unfall zudem ein hirnorganisches Psychosyndrom erlitten, das für sich allein genommen einen Invaliditätsgrad von 20% ergibt, und wurde weiter festgestellt, dass er durch das Ohrgeräusch erheblich in seinem Alltag beeinträchtigt ist, so sind weitere 10 % Invaliditätsgrad wegen der psychosozialen Folgen des Tinnitus hinzuzurechnen.


Auslegung einer ärztlichen Invaliditätsbescheinigung; einschränkender Zusatz „wahrscheinlich“ wegen der Gestaltung des Formulars für die Invaliditätsfeststellung; Geeignetheit der Befunderhebung durch Anamnesegespräche bei ärztlicher Invaliditätsfeststellung

OLG Bremen, Beschluss vom 09. Juni 2016 – 3 U 23/14

1. Eine ärztliche Invaliditätsbescheinigung ist der Auslegung zugänglich. Dabei ist im Interesse der „Waffengleichheit“ zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung auch von Bedeutung, ob ersterer Anlass hat, an der in seinen Händen befindlichen Bescheinigung zu zweifeln.

2. Veranlasst die Gestaltung des Formulars für die ärztliche Invaliditätsfeststellung zu einem einschränkenden Zusatz (hier: „wahrscheinlich“), so erscheint es treuwidrig, wenn die Versicherung sich sodann darauf beruft, es sei nicht eindeutig feststellbar, ob die Einschränkung sich gerade auf die Prognose der Invalidität beziehe.

3. Anamnesegespräche sind nicht von vornherein zur Befunderhebung im Rahmen der Feststellung der Invalidität ungeeignet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vom Versicherten geschilderten Beschwerden auch bei eingehender Untersuchung nur bedingt objektiv verifizierbar sind.


Private Unfallversicherung: Anforderungen an eine Invaliditätsfeststellung; Berufung auf Fristversäumnis bei nicht offensichtlicher Invaliditätsfolge; Benachteiligungsverbot bei Rentenklausel

LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 O 14/16

1. § 7 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 AUB 88 ist dahin auszulegen, dass die ärztliche Feststellung der Invalidität schriftlich getroffen werden muss.

2. Ist der Hinweis auf das Erfordernis rechtzeitiger Geltendmachung ordnungsgemäß erteilt worden, so kann sich der Versicherer auf die Fristversäumnis berufen. Ebenso wie zwischen den Voraussetzungen rechtzeitiger ärztlicher Feststellung und rechtzeitiger Geltendmachung zu unterscheiden ist, ist auch zwischen den entsprechenden Hinweisen und den Folgen etwaiger Hinweisfehler zu unterscheiden.

3. Aus anfänglichen Herzrhythmusstörungen, die am Folgetag nach einem Unfall aufgetreten sind und Anlass gegeben haben, einen Herzschrittmacher zu implantieren, lässt sich keine geradezu offensichtliche Invaliditätsfolge ableiten. Eine mit solchen Rhythmusstörungen einhergehende Herzerkrankung führt, wenn sie behandelt wird, nicht notwendig zur Invalidität.

4. Die Rentenklausel des § 7 Abs. 1 Satz 1 AUB 88 ist wirksam. Insbesondere liegt darin, dass die Rente im Falle einer Frau niedriger ausfällt als im Falle eines gleichaltrigen Mannes, kein Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG.


Private Unfallversicherung: Aktivlegitimation eines mitversicherten Dritten

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Mai 2016 – 4 U 202/14

1. § 12.1 AUB 2007, wonach nur der Versicherungsnehmer und nicht der mitversicherte Dritte Rechte gegen den Versicherer geltend machen kann, ist wirksam.

2. Der Zweck der Regelung des § 12.1 AUB 2007 schließt es aus, dass der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Vertrag auf den Versicherten oder einen sonstigen Dritten überträgt.


Private Unfallversicherung: Darlegungs- und Beweislast für eine Invaliditätsentschädigung wegen eines epileptischen Anfallsleidens infolge Schädel-Hirn-Traumas durch Sturz

OLG Frankfurt, Urteil vom 04. Mai 2016 – 7 U 267/13

Hat der Versicherungsnehmer auf dem Weg zur Arbeit einen Sturzunfall, bei dem mit dem Kopf auf den Boden aufschlägt und entwickelt sich in Folge ein epileptisches Anfallsleiden, besteht ein Anspruch gegenüber der privaten Unfallversicherung auf Invaliditätsleistung, wenn der Versicherungsnehmer mit dem für eine richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Grad der Gewissheit (§ 286 ZPO) den Nachweis erbracht hat, dass bei ihm seit dem Unfall eine dauernde Beeinträchtigung seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vorliegt und er fortbestehend unter einer posttraumatischen Epilepsie leidet und weiter fest steht, dass das epileptische Anfallsleiden unfallbedingt durch das bei dem Sturz erlittene Schädelhirntrauma 1. Grades hervorgerufen worden ist und – nach dem Beweismaß des § 287 ZPO – eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine kausale Verknüpfung zwischen dem unfallbedingten ersten Gesundheitsschaden und der eine Invalidität begründenden dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigung besteht.


Eintrittspflicht des Versicherers bei posttraumatischer Epilepsie nach Sturz auf einer Rolltreppe

OLG Frankfurt, Urteil vom 04. Mai 2016 – 7 U 259/13

1. Verletzt sich der Versicherungsnehmer einer privaten Unfallversicherung, indem er auf einer Rolltreppe bzw. bei deren Verlassen zu Fall kommt und mit dem Kopf auf dem Boden aufschlägt, so begründet dies die Eintrittspflicht des Versicherers für das hierbei erlittene Schädelhirntrauma 1. Grades nebst unfallbedingter posttraumatischer Epilepsie und einer daraus resultierenden 70%igen Invalidität.

2. Macht der Versicherungsnehmer gegenüber den erstbehandelnden Ärzten teilweise abweichende Angaben zum Unfallhergang, ist dies unerheblich, weil dies auf die nach Hirnverletzungen bekanntermaßen auftretenden längeren Erinnerungslücken und posttraumatischen Dämmerzustände zurückzuführen ist und insgesamt eher für als gegen eine schwerer wiegende Hirnverletzung spricht.


Erfordernis einer fristgemäßen Invaliditätsfeststellung; Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung; Hinweispflicht des Versicherers auf Feststellungsfrist

OLG Saarbrücken, Urteil vom 27. April 2016 – 5 U 36/15

1. Das Erfordernis fristgerechter Feststellung der Invalidität ist eine Anspruchsvoraussetzung, deren Nichtvorliegen nicht entschuldigt werden kann.

2. Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben. Eine bloße Befunderhebung genügt mangels nachvollziehbarer ärztlicher Bewertung grundsätzlich nicht aus.

3. Der Begriff der „Chronifizierung“ deutet lediglich darauf hin, dass der Zustand der Erkrankung bereits einige Zeit bestanden hat, erlaubt für sich genommen aber nicht die für die Annahme eines Dauerschadens erforderliche Zukunftsprognose, die Beeinträchtigungen könnten in der Zukunft nicht – durch ärztliche Therapien – wieder zurückgehen.

4. Lässt die ärztliche Bescheinigung allenfalls auf die Möglichkeit des Eintritts eines Dauerschadens schließen, genügt das mangels einer konkreten Prognose im Hinblick auf eine bereits eingetretene oder zu erwartende Invalidität für die Annahme einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung nicht.


Private Unfallversicherung: Aktivlegitimation eines Fremdversicherten

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. April 2016 – 4 U 202/14

1. Mit der sich aus den AUB eines Versicherers ergebenden Regelung “ Ist die Versicherung gegen Unfälle abgeschlossen, die einem anderen zustoßen (Fremdversicherung), steht die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag nicht der versicherten Person, sonder Ihnen zu.“ sind die Bestimmungen in §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 2 VVG zulässigerweise abbedungen worden.

2. Der Vertragspartner des Versicherers (Verwenders) wird durch diese Bestimmung nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 1993, 4 U 114/93).


Private Unfallversicherung: Unfallereignis bei Dekompressionskrankheit eines Tauchers; Begriff der Plötzlichkeit

KG Berlin, Beschluss vom 21. April 2016 – 6 U 141/15

Zutreffend ist, dass der Nachweis eines Unfallgeschehens häufig nur durch Indizien, ggf. durch Parteivernehmung, geführt werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine weiteren Personen anwesend waren, als der behauptete Unfall geschah. Deshalb kommt den Angaben, die der Versicherungsnehmer vorprozessual gegenüber dem Versicherer oder behandelnden Ärzten gemacht hat, eine entscheidende Indizwirkung zu.

1. Nach den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (hier: § 1 Abs. 3 AUB 2008) liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Davon können auch Ereignisse umfasst sein, die sich objektiv nicht innerhalb eines kurzen Zeitraumes ereigneten, wenn sie für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind.

2. Für diesen subjektiven Begriff der Plötzlichkeit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dem Betroffenen die Einwirkung äußerer Umstände auf seinen Körper bekannt ist, sondern darauf, dass er mit deren schädigender Wirkung nicht rechnet. Die Kenntnis des Tauchers von der Veränderung der Druck- und Sauerstoffverhältnisse beim Auftauchen steht deshalb einem Unfallereignis im Sinne der Bedingungen bei dem Erleiden einer Dekompressionskrankheit nicht von vornherein entgegen.


Direktanspruchsklausel in der Gruppen-Unfallversicherung: Rechtliche Wirkung für Invaliditäts- und Todesfallleistung; Recht des Versicherten zur Änderung eines widerruflichen Bezugsrechts

OLG Karlsruhe, Urteil vom 07. April 2016 – 9 U 109/14

1. Eine Direktanspruchsklausel hat in der Gruppenunfallversicherung rechtliche Wirkungen im Zweifel nicht nur für die Invaliditätsleistung, sondern auch für die Todesfallleistung, wenn der Versicherungsvertrag beide Leistungsansprüche vorsieht.

2. Die Direktanspruchsklausel verleiht im Zweifel dem Versicherten das Recht, ein widerrufliches Bezugsrecht, welches der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer der Gruppenversicherung für die Todesfallleistung vereinbart hat, durch Erklärung gegenüber dem Versicherer zu ändern.


Private Unfallversicherung: Anspruch auf eine Sofortleistung wegen Schwerverletzung bei einer durch einen Unfall mittelbar verursachten Gesundheitsbeeinträchtigung

LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 11. März 2016 – 1 O 166/15

Setzt der Unfallversicherungsvertrag für den Anspruch auf die Sofortleistung voraus, dass durch den Unfall eine Schwerverletzung oder eine schwere Mehrfachverletzung unmittelbar hervorgerufen wurde, so reicht eine durch den Unfall mittelbar hervorgerufene Gesundheitsbeschädigung, die sich erst in der weiteren Folge nach dem Unfallgeschehnis einstellt, hierfür nicht aus. Vielmehr müssen die Anspruchsvoraussetzungen in dem Zeitpunkt erfüllt sein, in dem das Unfallereignis beendet ist, d.h. bestimmte Verletzungen müssen im Unfallzeitpunkt sogleich eingetreten sein.


Leistungsausschluss bei Tod des Versicherungsnehmers binnen Jahresfrist und Kausalität des Unfallereignisses

OLG Koblenz, Beschluss vom 08. März 2016 – 10 U 1361/15

1. Ist die Invaliditätsleistung aus einer Unfallversicherung bedingungsgemäß ausgeschlossen, wenn die versicherte Person unfallbedingt innerhalb eines Jahres nach dem Unfall stirbt, so kommt es darauf an, ob der Tod adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen ist (vergleiche OLG Saarbrücken, Urteil vom 9. Juli 2014, 5 U 89/13, VersR 2015, 1417).

2. Das ist auch dann der Fall, wenn die unfallbedingte Verletzung zwar nicht unmittelbar zum Tode führt, die zum Tode führenden Ereignisse und Entwicklungen sich aber als typische medizinische Komplikationen dieser Verletzung darstellen, deren Auftreten zwar nicht zwingende Folge der Verletzung war, deren Wahrscheinlichkeit aber durch die Verletzung selbst und die Bemühungen, ihre unmittelbaren Folgen medizinisch zu beherrschen, deutlich erhöht war.


Leistungsanspruch aus einer privaten Unfallversicherung bei einem Bandscheibenschaden; Anforderung an die Annahme einer Kausalität zwischen Unfall und Bandscheibenschaden

OLG Köln, Urteil vom 04. März 2016 – I-20 U 175/15

Der Begriff des Bandscheibenvorfalls im Sinne der Ausschlussklausel in den Bedingungen privater Unfallversicherungen ist weit auszulegen. Er erfasst alle degenerativen und traumatischen Veränderungen im Bandscheibenbereich sowie deren Folgezustände.

1. Ein Versicherungsnehmer, der Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung wegen eines Bandscheibenschadens nach einem Unfallereignis beansprucht, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Unfallereignis die überwiegende Ursache des Bandscheibenschadens ist. Dabei sind unter einem Bandscheibenschaden neben allen degenerativen und traumatischen Veränderungen im Bandscheibenbereich auch deren Folgezustände zu verstehen.

2. Einzelfall zur Beurteilung der Kausalität zwischen einem Unfallereignis und einem Wirbelsäulenschaden (hier: Kausalität verneint).


Abgrenzung einer freiwillig erlittenen von einer unfreiwillig erlittenen Gesundheitsbeschädigung

OLG München, Urteil vom 16. Februar 2016 – 25 U 933/13

1. Freiwillig erlitten ist die Gesundheitsbeschädigung eines Unfallversicherten dann, wenn dieser sie entweder gewollt oder für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Hat er sich hingegen bewusst zwar einem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, aber darauf vertraut, dass sich dieses nicht in einer Schädigung auswirken würde, liegt eine unfreiwillige Gesundheitsbeschädigung i.S.v. § 178 Abs. 2 S. 2 VVG vor.

2. Liegen bei einer Würdigung der Gesamtumstände zwar durchaus gewisse Anhaltspunkte dafür vor, dass der Geschädigte sich in suizidaler Absicht bei und trotz Herannahen eines Zuges auf ein Gleis begeben haben könnte, sprechen aber andere gewichtige Gesichtspunkte dagegen, reichen diese Anhaltspunkte nicht aus, um das Gericht von einer Selbstmordabsicht des Versicherten oder einem anderen die Freiwilligkeit ausschließenden Geschehensablauf im Sinne des § 286 ZPO zu überzeugen.


Private Unfallversicherung: Treuwidrigkeit einer Berufung auf Fristablauf zur Einreichung einer ärztlichen Bescheinigung bei anderweitiger Kenntnis einer dauerhaften Schädigung des Versicherten

OLG Hamburg, Urteil vom 29. Januar 2016 – 9 U 139/11

1. Ist der Geschädigte beim Versuch, einen Rasensprenger mit erhöhter Kraftaufwendung abzustellen, zu Boden gegangen und dabei mit dem Knie aufgeschlagen, wobei er sich verletzt hat (hier: Ruptur des med. Seitenbandes, des vorderen Kreuzbandes und des med. Meniskus Grad III a sowie Faserriss im M. vastus intermedius Vorbestehend degenerative Veränderungen mit Chondromatose Gard II-III des med. Kompartiments und Grad II lateral und retropatellar) liegt mithin ein Unfall vor.

2. Ein Unfallversicherer ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Versäumnis der Frist für die ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität zu berufen, wenn der Geschädigte nicht nur das Unfallereignis zeitnah dem Agenten der Versicherung angezeigt hatte, sondern vor allem bereits innerhalb der Frist dem Agenten mitgeteilt hatte, dass nach Auskunft seines behandelnden Arztes ein unfallbedingter Dauerschaden verbleiben werde. Diese Kenntnis, die der Agent seiner auftragsgemäßen Tätigkeit für die Versicherung erlangt hatte, muss sie sich zurechnen lassen.

3. Die sogenannten Auge- und Ohr-Rechtsprechung gilt keineswegs nur für Angaben im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrages. Diese Rechtsprechung hat als Grundlage, dass der Agent bei Antragsaufnahme als Empfangsbevollmächtigter des Versicherers auftritt. So verhält es sich aber nicht nur bei der Antragsaufnahme, sondern auch dann, wenn der Agent im Rahmen seines Zuständigkeitsbereiches im weiteren Verlauf eines Versicherungsvertrages Erklärungen des Versicherten bzw. Versicherungsnehmers aufnimmt, etwa bei Erklärungen in der Schadensanzeige (Anschluss OLG Naumburg, 3. Februar 2000, 2 U 48/99, Schaden-Praxis 2000, 320).

4. Hatte die Versicherung Kenntnis davon, dass der Geschädigte nicht nur einen Unfall behauptet hatte, sondern auch angeben hatte, dass dieser Unfall nach Einschätzung des Arztes zu einem Dauerschaden geführt hatte, wäre sie gehalten gewesen, den Geschädigten auf die wichtigen Ausschlussfristen hinzuweisen. Ein solcher Hinweis ist zwar erfolgt, da das entsprechende Formular dem Geschädigten aber erst lange nach Ablauf der Frist für die ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität zur Kenntnis gegeben worden war, war dieser Hinweis nicht geeignet, den Geschädigten vor einer Fristversäumung zu bewahren.


Private Unfallversicherung: Maßgeblicher Erkenntnisstand für die Erstbemessung der Invalidität

BGH, Urteil vom 18. November 2015 – IV ZR 124/15

1. Für die Erstbemessung der Invalidität kommt es hinsichtlich Grund und Höhe grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist an (hier: 18 Monate).

2. Der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ist nur maßgebend dafür, ob sich rückschauend bezogen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Invaliditätseintrittsfrist (Nr. 2.1.1.1 AUB) bessere tatsächliche Einsichten zu den Prognosegrundlagen bezüglich des Eintritts der Invalidität und ihres Grades eröffnen.


Private Unfallversicherung: Frist zur ärztlichen Feststellung einer unfallbedingten Invalidität

OLG Hamm, Beschluss vom 04. November 2015 – I-20 U 188/15

1. Nach der Fristenregelung in Nr. 2.1.1.1 AUB 2008 muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer geltend gemacht worden sein.

2. Auch bei einem fehlenden oder nicht ausreichenden Fristenhinweis des Versicherers gem. § 186 Satz 2 VVG wird der Versicherungsnehmer nicht von der Notwendigkeit enthoben, überhaupt eine (ausreichende) ärztliche Invaliditätsfeststellung beizubringen.


Gehörsverletzung im Deckungsprozess gegen eine private Unfallversicherung: Fehlerhaftes Unterbleiben einer Zeugenvernehmung bezüglich des zeitlichen Zusammenhangs zwischen einem verletzungsbedingten Arztbesuch und einer Sprunggelenksverletzung

BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 – IV ZR 139/15
1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet.

2. Nimmt ein Versicherungsnehmer seine private Unfallversicherung wegen Invaliditätsleistungen in Anspruch und nimmt das (Berufungs-)Gericht an, der Versicherungsnehmer könne mit den von ihm angebotenen Beweismitteln (Zeugenvernehmung) den Nachweis der Ursächlichkeit des Unfalles für die Außenbandruptur seines linken Sprunggelenks nicht führen, hat es den Anspruch des Versicherungsnehmers auf rechtliches Gehör verletzt, wenn die von ihm benannten Zeugen (die behandelnden Ärzte) zur Klärung der Unfallkausalität hätten beitragen können, etwa indem sie bereits einen Tag nach dem Unfall eine Schwellung des Fußgelenks hätten bestätigen können.


Private Unfallversicherung: Nachweis einer unfallbedingten Knieverletzung nebst Dauerschaden eines Polizisten bei Festnahme eines Beschuldigten; Einwirkung „von außen“ als Merkmal des Unfallbegriffs

KG Berlin, Beschluss vom 09. Oktober 2015 – 6 U 147/13

1. Erleidet ein Polizeibeamter bei der Festnahme eines Beschuldigten, mit dem er nach Einsatz einer Judotechnik – „außenseitiger Beinfeger“ – zu Fall kommt, eine Knieverletzung, liegt ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis und nicht eine kontrollierte Eigenbewegung vor; der die körperliche Auseinandersetzung einleitende gewollte und bewusste Einsatz dieser Technik steht dem nicht entgegen, wenn es nicht hierdurch schon zu der Verletzung gekommen ist.

2. Für den Nachweis eines „frischen“ Kreuzbandrisses, der durch bildgebenden Verfahren nicht nachweisbar ist, können auch andere vom Sachverständigen ausgewertete Indizien ausreichen; ein wissenschaftlicher Nachweis des exakten Unfallmechanismus ist nicht erforderlich.

3. Für die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Funktionseinschränkungen eines Gliedmaßes kann auf einen Seitenvergleich mit dem gesunden paarigen Körperteil abgestellt werden.


Private Unfallversicherung: Klauselkontrolle für die Besonderen Bedingungen für die Versicherung von Infektionen durch Zeckenbiss

OLG Koblenz, Beschluss vom 24. August 2015 – 10 W 514/15

Die Besonderen Bedingungen für die Versicherung von Infektionen durch Zeckenbiss, wonach zwar Versicherungsschutz für die Folgen der durch Zeckenbiss übertragenen Infektionskrankheiten Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Lyme-Borreliose besteht, dabei aber Versicherungsfall nur die erstmalige Infizierung mit dem Erreger dieser Infektionskrankheiten ist, sind nicht gem. § 307 BGB unwirksam. Die Regelung verstößt weder gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs 1 Satz 2 BGB, noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen und ist auch nicht überraschend (§ 307 Abs 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Der Wortlaut des Wiedereinschlusses ist eindeutig und auch für jeden Versicherungsnehmer verständlich.


Private Unfallversicherung: Nachweis des Wiedereinschlusses von Bandscheibenschäden

KG Berlin, Beschluss vom 21. August 2015 – 6 U 19/15

Bei Ausschluss von Bandscheibenschäden im Unfallversicherungsvertrag ist für deren vom Versicherungsnehmer zu beweisenden Wiedereinschluss eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit der Ursächlichkeit des unter den Vertrag fallenden Unfallereignisses gegenüber anderen Geschehensabläufen erforderlich, also eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% gegenüber der Ursächlichkeit vorhandener degenerativer Vorschädigungen, wobei hier auch altersgemäße Verschleißerscheinungen zu berücksichtigen sind.


Private Unfallversicherung: Nachweis einer unfallbedingten Knieverletzung nebst Dauerschaden eines Polizisten bei Festnahme eines Beschuldigten; Einwirkung „von außen“ als Merkmal des Unfallbegriffs

KG Berlin, Beschluss vom 11. August 2015 – 6 U 147/13

1. Erleidet ein Polizeibeamter bei der Festnahme eines Beschuldigten, mit dem er nach Einsatz einer Judotechnik – „außenseitiger Beinfeger“ – zu Fall kommt, eine Knieverletzung, liegt ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis und nicht eine kontrollierte Eigenbewegung vor; der die körperliche Auseinandersetzung einleitende gewollte und bewusste Einsatz dieser Technik steht dem nicht entgegen, wenn es nicht hierdurch schon zu der Verletzung gekommen ist.

2. Für den Nachweis eines „frischen“ Kreuzbandrisses, der durch bildgebenden Verfahren nicht nachweisbar ist, können auch andere vom Sachverständigen ausgewertete Indizien ausreichen; ein wissenschaftlicher Nachweis des exakten Unfallmechanismus ist nicht erforderlich.

3. Für die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Funktionseinschränkungen eines Gliedmaßes kann auf einen Seitenvergleich mit dem gesunden paarigen Körperteil abgestellt werden.


Private Unfallversicherung: Wirksamkeit des formularmäßigen Leistungsausschlusses für geringfügige Haut- und Schleimhautverletzungen; Geringfügigkeit einer Verletzung

OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juli 2015 – I-20 U 141/15

1. Die in § 2 Abs. 2 Unterabs. 3 AUB 94 getroffene Regelung (Infektionen grundsätzlich ausgeschlossen; aber versichert, wenn Krankheitserreger durch Unfallverletzung in den Körper gelangt sind; jedoch – wieder – ausgeschlossen Haut- oder Schleimhautverletzungen, die als solche geringfügig sind) ist wirksam.

2. Als geringfügig sind anzusehen solche Haut- oder Schleimhautverletzungen, die (erstens) keiner Behandlung bedürfen oder mit einfachen Mitteln wie etwa einem Plaster selbst versorgt werden können und bei denen (zweitens) zu erwarten ist, dass sie alsbald folgenlos wieder verheilen. Abzustellen ist hierbei ausschließlich auf die Verletzung und nicht auf die möglichen Folgen, die dadurch entstehen, dass Erreger in den Körper gelangt sind.


Private Unfallversicherung: Leistungsausschluss nach Ablauf der Invaliditätsfeststellungsfrist; Inhaltsanforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung

LG Berlin, Urteil vom 08. Juli 2015 – 23 O 120/13

1. Der Unfallversicherer genügt seiner Hinweispflicht nach § 186 VVG durch einen Hinweis in Textform, der aus den Bedingungen herausgestellt ist und in der Form gestaltet ist, dass er von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer in zumutbarer Weise zur Kenntnis genommen werden kann. Eine zusätzliche besondere Hervorhebung des Hinweises ist nicht erforderlich.

2. Die Feststellung in einem Arztbericht „Der Verlauf dürfte langwierig sein“ enthält keine ärztliche Feststellung eines Dauerschadens.


Private Unfallversicherung: Überraschender Inhalt oder Mehrdeutdeutigkeit einer Klausel über die Kapitalisierung der Unfallrente

OLG Koblenz, Beschluss vom 03. Juli 2015 – 10 U 1299/14

Eine Klausel in den Besonderen Vertragsbedingungen, die bestimmt, dass bei einem Invaliditätsgrad ab 50% ein Anspruch auf eine monatliche Rente und ab einem Invaliditätsgrad von 1% ein Anspruch auf Kapitalleistung bis zu 450.000,00 € besteht und bei einem Invaliditätsgrad von 1 bis unter 10% eine Kapitalleistung von 5 Unfallrenten, bei einem von 90 bis 100% von maximal 300 Unfallrenten gewährt wird, ist weder überraschend mehrdeutig noch unvereinbar mit dem Leitbild der Invaliditätsentschädigung nach der AUB 2007 des Versicherers, weil eine Kapitalleistung je nach Höhe des Invaliditätsgrads in der Form zu erbringender Unfallrenten erbracht wird.


Private Unfallversicherung: Einbeziehung nicht übergebener Allgemeiner Versicherungsbedingungen in einen Altvertrag

BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – IV ZR 170/14

Erlischt das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., sind die für den Versicherungsvertrag geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch dann in den Versicherungsvertrag einbezogen, wenn der Versicherer sie dem Versicherungsnehmer bislang nicht übergeben hat.


Private Unfallversicherung: Form- und Fristzwang für die Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen; Beweislast für Zugang des Schreibens; ärztliche Invaliditätsfeststellung als Voraussetzung eines Anspruchs auf Invaliditätsleistung

LG Mühlhausen, Urteil vom 17. Juni 2015 – 3 O 683/13

1. Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unfallversicherung muss die Geltendmachung der Invalidität durch den Versicherungsnehmer schriftlich erfolgen. Eine telefonische Geltendmachung reicht nicht aus.

2. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für den Zugang dieses Schreibens beim Versicherungsunternehmen.

3. Der Dauerschaden muss innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt festgestellt worden sein. Es genügt nicht, dass mit einer Invalidität gerechnet werden kann.


Private Unfallversicherung: Versicherter Unfall bei Knieverletzung durch ungeschickte Körperbewegung

OLG Frankfurt, Beschluss vom 02. Juni 2015 – 15 U 214/14

Macht ein Versicherter im Zuge der Reparatur eines Holzzaunes einen Schritt, um das Herabfallen eines Bauteils zu verhindern, tritt dabei falsch auf und verdreht sich das Knie, so stellt dies keinen versicherten Unfall dar, da es an der plötzlichen Einwirkung von außen fehlt; das Bauteil wirkte nicht auf den Körper des Versicherten ein und führte schon gar nicht die Knieverletzung herbei.


Private Unfallversicherung: Reichweite der sog. „Psychoklausel“

OLG Celle, Urteil vom 25. Mai 2015 – 8 U 199/14

Die – vom Bundesgerichtshof grundsätzlich für wirksam gehaltene – sog. „Psychoklausel“ nach Nr. 5.2.6 AUB 2000 bezieht sich nur auf Fälle, bei denen am Beginn der Kausalreihe ein Unfallereignis ohne Gesundheitsschädigung gestanden hat, dem jedoch aus psychisch-seelischen Gründen die Erkrankung nachgefolgt ist, bzw. auf Fälle, bei denen eine Gesundheitsschädigung stattgefunden hat, es aber aufgrund späterer – inadäquater – Fehlverarbeitung zu Störungen über den physischen Schaden hinaus gekommen ist. Krankhafte Störungen, die eine organische, nicht notwendig hirnorganische Ursache haben, sind nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die Ausschlussklausel gilt damit nicht, wenn der Versicherte nach einem schweren Unfall mit lebensbedrohlichen Folgen bis zum Beginn des operativen Eingriffs bei vollem Bewusstsein ist, und es nach sachverständiger Feststellung nicht um eine spätere psychische Fehlverarbeitung eines Unfalls geht, die psychische Reaktion bei lebensnaher Betrachtung eine vielmehr nicht vermeidbare Begleiterscheinung ist, und insoweit ein Anknüpfen der psychischen Störung direkt an die organischen Unfallfolgen vorliegt.


Private Unfallversicherung: Verrenken eines Daumens beim Öffnen einer Wasserflasche als Unfall

LG Essen, Urteil vom 20. Mai 2015 – 18 O 277/14

Das Verrenken eines Daumens beim Öffnen einer Wasserflasche fällt nicht unter den erweiterten Unfallbegriff von Nr. 1.4. AUB 2008. Beim Öffnen einer Flasche handelt es sich um einen alltäglichen Bewegungsablauf, der grundsätzlich keiner erhöhten Kraftanstrengung bedarf. Auch soweit sich eine Flasche nicht im ersten Ansatz öffnen lässt, kann in etwas festerem Zudrehen noch keine Bewegung erkannt werden, die im Vergleich zu einem Durchschnittsmenschen einen bemerkenswerten Krafteinsatz erfordert.


Private Unfallversicherung: Versicherungsschutz für eine Schulterverletzung durch Eigenbewegung auf einer Matratze im Schlaf

Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 07. Mai 2015 – 4 U 557/14

1. Nach Ziffer 1.3 AUB liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Diese Voraussetzungen sind auch dann gegeben, wenn eine vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung zu einer plötzlichen Einwirkung von außen führt (Anschluss BGH, 28. Januar 2009, IV ZR 6/08, MDR 2009, 505).

2. Macht der Versicherungsnehmer geltend, er habe sich im Schlaf gedreht und dadurch eine Verletzung erlitten, so ist dies nicht als Unfall i.S.d. Ziffer 1.3 AUB zu qualifizieren, da der Versicherungsnehmer durch die Drehbewegung ausschließlich seinerseits auf die Matratze eingewirkt hat.


Invaliditätsleistung der privaten Unfallversicherung: Berücksichtigung von Schmerzen bei der Gliedertaxe; Bemessung des Grades der Invalidität

KG Berlin, Beschluss vom 04. Mai 2015 – 6 U 12/15

1. Schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen können im Rahmen der Gliedertaxe durchaus als Funktionsminderung zu berücksichtigen sein (Anschluss OLG Köln, 23. August 2010, 20 U 5/10 und LG Berlin, 19. Juni 2013, 23 O 236/11, VersR 2014, 577).

2. Erleidet der Versicherungsnehmer eines privaten Unfallversicherers bei einem Unfallereignis eine Handverletzung, so bemisst sich der Grad der Invalidität zwingend nach der im Versicherungsvertrag vereinbarten Gliedertaxe; eine Auslegung des Begriffs der „Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit“ ist dann obsolet.


Private Unfallversicherung: Ursächlichkeit eines Ausfallschritts nach einem Golfschlag für einen Bandscheibenvorfall

OLG Hamm, Beschluss vom 29. April 2015 – I-20 U 77/15

Ein nicht geplanter Ausfallschritt nach einem Golfschlag ist – ohne weitere Umstände – nicht „überwiegende Ursache“ (im Sinne der neueren Bedingungen zur Unfallversicherung) für einen Bandscheibenvorfall.


Private Unfallversicherung: Bemessung der Invaliditätsleistung bei einer Verletzung des Schultergelenks mit dauerhafter Funktionsbeeinträchtigung eines Arms; notwendiger Inhalt der fristgebundenen ärztlichen Invaliditätsfeststellung

BGH, Urteil vom 01. April 2015 – IV ZR 104/13

1. Findet das Schultergelenk in den Bestimmungen der Gliedertaxe über Verlust oder völlige Funktionsbeeinträchtigung eines Arms keine Erwähnung, ist der Invaliditätsgrad bei einer Gebrauchsminderung der Schulter nicht nach der Gliedertaxe sondern den Regeln zur Invaliditätsbestimmung für andere Körperteile zu ermitteln (Abgrenzung zu Senatsurteilen vom 24. Mai 2006, IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011, IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 12 – „Arm im Schultergelenk“).

2. Die fristgebundene ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss (Fortführung des Senatsurteils vom 7. März 2007, IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 Rn. 10 ff.).


Private Unfallversicherung: Rechtsfolgen der Leistung des Versicherers auf Basis einer Teilinvalidität zur Klaglosstellung

LG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 – 9 O 111/14

Besteht zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer Streit oder Ungewissheit über Grund und Höhe der Leistungspflicht, so erfolgt eine Zahlung des Versicherers „zur Klaglosstellung“ auf Basis einer Teilinvalidität als Invaliditätsentschädigung erkennbar zum Zweck der Bereinigung der streitigen Situation. Die betreffende Leistung ist als deklaratorisches Schuldanerkenntnis hinsichtlich des Unfallhergangs und des Ursachenzusammenhangs anzusehen. Weiter kann sich der Versicherer nicht auf das Fehlen einer Invaliditätsfeststellung berufen.


Private Unfallversicherung: Nachweis eines unfallbedingten Außenmeniskusschadens

LG Mönchengladbach, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 O 35/14

Stürzt der Versicherungsnehmer auf einer nassen Kellertreppe und verdreht sich dabei das Knie, so dass es in der Folgezeit zu Kniebeschwerden kommt, so hat er einen unfallbedingten Außenmeniskusschaden nicht nachgewiesen, wenn die Form der Rissbildung einen traumatischen Schaden eher unwahrscheinlich erscheinen lässt und vielmehr degenerative Veränderungen für den Riss verantwortlich sein dürften.


Unfallversicherung: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung der Invalidität

OLG Oldenburg, Urteil vom 21. Januar 2015 – 5 U 103/14

Leistet der Unfallversicherer innerhalb der Dreijahresfrist der Ziff. 9.4. AUB 2003 nur Vorschusszahlungen und setzt er die Invalidität erstmals nach Ablauf der Dreijahresfrist endgültig fest, ist für die Bemessung der Invalidität und ihre gerichtliche Überprüfung der Gesundheitszustand bei Ablauf der Dreijahresfrist maßgeblich (entgegen OLG Düsseldorf, 6. August 2013, I-4 U 221/11 und OLG Saarbrücken, 15. Mai 2013, 5 U 347/12).


Unfallversicherung: Auslegung von Versicherungsbedingungen bei der Berechnung der Invaliditätsleistung

OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Dezember 2014 – 12 U 150/13

Die Regelungen A.12. a), b) und c) der „BBU Luxus 99“ umschreiben aus der Sicht eines verständigen, unbelasteten Versicherungsnehmers den Umfang der Progression abschließend und die angeschlossene, mit dem Satz „Die zu zahlende Invaliditätsleistung erhöht sich aus diesen Bedingungen im Einzelnen wie folgt:“ eingeleitete Tabelle umschreibt keine weitere Erhöhung der Invaliditätsleistung, sie stellt vielmehr nur zum erleichterten Verständnis die Ergebnisse der Berechnung dar, die sich aus der Anwendung der ihr vorangehenden, zu den vorstehenden lit. a) – c) getroffenen Regelungen ergeben.


Private Unfallversicherung: Berücksichtigung einer Gelegenheitsursache bereits bei der haftungsbegründenden Kausalität; Bedeutung des Befundes einer Rotorenmanschettenruptur für die Abgrenzung zwischen altersgerechter Abnutzung und Gebrechen bei älteren Personen

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 U 23/14

1. Ob eine sogenannte Gelegenheitsursache in der Unfallversicherung bereits bei der haftungsbegründenden Kausalität Berücksichtigung finden darf, erscheint zweifelhaft.

2. Für die Abgrenzung zwischen altersgerechter Abnutzung und Gebrechen kann es bei älteren Personen weniger auf den Befund einer Rotorenmanschettenruptur als solchen ankommen, als vielmehr darauf, welche Qualität und welchen Schweregrad eine solche Ruptur aufgewiesen hat.


Vertrauensschutz bei einer nicht fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität

OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 9 U 3/13

1. Wird die Invalidität erst nach Ablauf der Frist von 15 Monaten vom Arzt schriftlich festgestellt, steht dies der Leistungspflicht des Versicherers dann nicht entgegen, wenn der Versicherungsnehmer auf Grund des Verhaltens des Versicherers darauf vertrauen durfte, der Versicherer werde von sich aus für eine rechtzeitige ärztliche Feststellung sorgen.

2. Ein Vertrauensschutz kommt in Betracht, wenn der Sachbearbeiter des Versicherers ankündigt, er werde ein ärztliches Zeugnis anfordern. Erfolgt die ärztliche Feststellung nur deshalb erst nach Ablauf der 15-Monatsfrist, weil sich bei der Anforderung im Bereich des Versicherers Verzögerungen ergeben haben, kann dies nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen.


Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung wegen erlittener Risswunde mit anschließender Amputation des linken Armes aufgrund einer bakteriellen Infektion

LG Dortmund, Urteil vom 02. Oktober 2014 – 2 O 459/12

Soweit in den Bedingungen der Unfallversicherung der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist, wenn die Gesundheitsschädigung durch Insektenstiche oder -bisse oder durch sonstige geringfügige Haut- und Schleimhautverletzungen verursacht wird, durch die Krankheitserreger sofort oder später in den Körper gelangen, ist der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, dass die auf der Arbeitsstelle erlittene Risswunde die Eintrittspforte für die von Bakterien ausgelöste Infektionskrankheit gewesen ist. Sind nach dem Sachverständigengutachten dagegen die aufgekratzten Mückenstiche die wahrscheinlichere Eintrittspforte für die Infektionskeime, ist der Versicherungsfall nicht bewiesen und der Versicherungsschutz ausgeschlossen. Aber auch bei der Annahme, dass die Risswunde die Eintrittspforte der Krankheitserreger gewesen ist, liegt kein Versicherungsfall vor, da Infektionen vom Versicherungsschutz auch dann ausgeschlossen sind, wenn sie durch sonstige geringfügige Haut- und Schleimhautverletzungen verursacht worden sind, wovon bei einer Risswunde, die mit Tüchern getrocknet und anschließend mit einem Pflaster versorgt wurde, ohne sich in ärztliche Behandlung begeben, auszugehen ist.


Private Unfallversicherung: Nach einer Unfallfolge bei Hüftkopfnekrose

OLG Hamburg, Urteil vom 05. September 2014 – 9 U 21/14

Die reine Möglichkeit, dass ohne sicheren Nachweis in der Bildgebung und trotz Ausbleibens stärkerer und länger anhaltender Beschwerden im Einzelfall eine Fraktur oder Infraktion vorliegen kann, die geeignet ist, Beeinträchtigungen der Blutversorgung des Hüftkopfes zu verursachen, reicht für eine Beweisführung in dem Sinne, dass die festgestellte Hüftkopfnekrose Folge eines Sturzunfalls ist nicht aus.


Private Unfallversicherung: Minderung der Invaliditätsentschädigung bei nicht behandlungsbedürftiger Vorschädigung am Schultergelenk

OLG Stuttgart, Urteil vom 07. August 2014 – 7 U 35/14

Ist ein Unfall ursächlich für eine dauerhafte Schädigung im Schultergelenk, berechtigen degenerative Vorschäden des Schultergelenks, die vor dem Unfall weder behandlungsbedürftig waren noch zu einer Funktionsbeeinträchtigung geführt hatten, nicht zur Kürzung der Invaliditätsentschädigung (Anschluss an BGH, Beschluss v. 8. Juli 2009, IV ZR 216/07, VersR 2009, 423).


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