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Aktuelle Urteile zur Berufsunfähigkeitsversicherung
MPK | Melzer Penteridis Kampe Rechtsanwälte veröffentlichen an dieser Stelle mit einem deutlichen zeitlichen Vorsprung vor den Printmedien brandaktuelle Urteile und Beschlüsse der Zivilgerichte zur Berufsunfähigkeitsversicherung, die im Bereich des Versicherungsrechts einen Schwerpunkt in unserer täglichen Arbeit darstellt. Unsere spezialisierten Fachanwälte für Medizinrecht und Versicherungsrecht halten als gefragte Dozenten auf diesem Fachgebiet regelmäßig Vorträge und publizieren zum Recht der Personenversicherung in Fachzeitzeitschriften.
Die Übersicht über die versicherungsrechtlichen Entscheidungen und Trends in der Rechtsprechung wird laufend aktualisiert von MPK-Partner Rechtsanwalt Melzer, Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht, der Mitglied im Fachanwaltsausschuss für Versicherungsrecht der Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamm ist.
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Aktuelle Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeits-Versicherung
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BU-Versicherung: Wann liegt bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor?
BGH, Urteil vom 14.07.2021 – IV ZR 153/20
Bei Vereinbarung der Klausel, dass der Versicherte berufsunfähig ist, wenn er 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben, muss das Gericht klären, von welcher der beiden Alternativen es ausgeht.
Von der Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO werden auch interne Vermerke und Bewertungen über den Versicherten erfasst
BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 – VI ZR 576/19
Interne Vermerke oder interne Kommunikation bei der Beklagten, die Informationen über den Kläger enthalten, kommen als Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ebenfalls grundsätzlich in Betracht. Dies ist beispielsweise entsprechend der Beurteilung der Schreiben des Klägers bei Vermerken der Fall, die festhalten, wie sich der Kläger telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat (vgl. OLG Köln, VersR 2020, 81, 85; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Lfg. 3/21, Art. 15 DS-GVO Rn. 1d). Auch Vermerke über den Gesundheitszustand des Klägers enthalten personenbezogene Daten. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es handele sich bei Vermerken um „interne Vorgänge der Beklagten“, ist im Hinblick auf den Begriff der personenbezogenen Daten ohne Relevanz. Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO setzt offensichtlich weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten extern zugänglich sind.
Soweit der Kläger Auskunft über die internen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherungspolice verlangt, ist allerdings zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union rechtliche Analysen zwar personenbezogene Daten enthalten können, die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst aber keine Information über den Betroffenen und damit kein personenbezogenes Datum darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – Rs. C-141/12 und C-372/12, CR 2015, 103 Rn. 39 ff.). Daten über Provisionszahlungen der Beklagten an Dritte haben nach den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien ebenfalls keinen Bezug zur Person des Klägers. Sein nach dem Vorbringen der Revision auch hierauf gerichtetes Auskunftsbegehren kann der Kläger daher nicht auf die DS-GVO stützen.
Verharmlosende Antworten auf Gesundheitsfragen bei Vertragsschluss indiziert Arglist
OLG Dresden, Beschluss vom 29. April 2021 – 4 U 2453/20
1. Der künftige Versicherungsnehmer hat in einem Antragsformular auch Beeinträchtigungen anzugeben, die noch keinen Krankheitswert haben, sofern diese nicht offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen.
2. Die Verharmlosung von über Jahre hinweg bestehenden chronischen Schmerzen und verschiedenen Erkrankungen mit häufigen Arztbesuchen indiziert ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers.
Zur Darlegungslast in der Berufsunfähigkeitsversicherung in Bezug auf Nebentätigkeiten
BGH, Beschluss vom 21. April 2021 – IV ZR 88/20
Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht eine Verringerung der nicht-handwerklichen Tätigkeiten des Klägers um 50 % infolge der gesundheitlichen Einschränkung seiner handwerklichen Arbeit für nicht ausreichend dargelegt erachtet hat. Diese Auffassung beruht auf einem entscheidungserheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.
Insoweit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers überspannt. Das Berufungsgericht hat die Feststellung des Landgerichts bestätigt, dass zum bisherigen Beruf des Klägers als selbständiger Zahntechnikermeister neben der handwerklichen Tätigkeit auch im Durchschnitt eine Stunde Bürotätigkeit und eine halbe Stunde Besuche bei Zahnärzten pro Tag gehörten. Gesundheitlich ist der Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichts allein in der Ausübung seiner handwerklichen Tätigkeit, der Herstellung von Zahnersatz, um 50 % eingeschränkt. Wenn der Kläger dazu in den Schriftsätzen vom 30. August 2018, Seite 2 bis 3, und vom 12. Oktober 2018, Seite 2, vorträgt, dass der Umfang der erforderlichen Bürotätigkeit, z.B. Kostenvoranschläge, Rechnungsstellung und Buchhaltung, wie auch der Besuche beim Zahnarzt, wo die Form des zu erstellenden Zahnersatzes besprochen werde, von der handwerklichen Produktion des Klägers abhänge und eine Reduzierung der Zahnersatzherstellung um die Hälfte auch diese vor- und nachbereitenden Tätigkeiten im selben Ausmaß beschränke, ist das eine Tatsachenbehauptung, die geeignet wäre, die Rechtsfolge einer insgesamt 50 %-igen Berufsunfähigkeit des Klägers und damit einen Anspruch auf Versicherungsleistungen zu begründen.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht – in Bestätigung des landgerichtlichen Urteils – daher weiteren Vortrag dazu vermisst, worin die Bürotätigkeit zuletzt in gesunden Tagen im Einzelnen bestanden habe und inwieweit und warum sich diese auf maximal 50 % reduzieren solle. Wie sich die Büro- und Besprechungstätigkeit des Klägers gestaltete, muss im Übrigen auch das Landgericht – nach Anhörung des Klägers – für ausreichend geklärt gehalten haben, da es zur gesundheitlichen Fähigkeit des Klägers, die verschiedenen Tätigkeiten weiter auszuüben, aus denen sich sein Beruf zusammensetzt, Sachverständigenbeweis erhoben hat.
BU-Versicherung: Einwendungen und Fragen zu einem schriftlichen Sachverständigengutachten
OLG Nürnberg, Urteil vom 22. Februar 2021 – 8 U 2845/20
Hat eine Partei fristgerecht Einwendungen und Fragen zu einem schriftlichen Sachverständigengutachten geäußert, ohne die Ladung des Sachverständigen zu beantragen, muss sich das Gericht hiermit auseinandersetzen und deutlich machen, warum es den Einwendungen und Fragen nicht nachgegangen ist. Anderenfalls wird der Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör verletzt und es liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Fälligkeit eines Anspruchs auf Versicherungsleistung
LG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2021 – 9 O 259/19
1. Mit dem Zugang der Erklärung des Versicherers über die endgültige Leistungsablehnung tritt Fälligkeit des Anspruchs auf die Versichererleistung ein. Durch eine Erklärung der Anfechtung bzw. des Rücktritts bringt der Versicherer unzweifelhaft zum Ausdruck, dass eine Erbringung von Leistungen aus dem Versicherungsvertrag für ihn nicht in Betracht kommt.
2. Nimmt der Versicherer nachträglich von den von ihm zunächst erklärten Gestaltungsrechten Abstand, besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, die zunächst eingetretene Fälligkeit der Ansprüche nachträglich entfallen zu lassen. Allenfalls käme insoweit eine zwischen den Parteien getroffene vertragliche Abrede in Betracht.
Befristung eines Leistungsanerkenntnisses gemäß § 173 Abs. 2 VVG
Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 02. Oktober 2020 – 4 U 640/18
An die Änderungsmitteilung werden strenge Anforderungen gestellt. Das Erfüllen der Voraussetzungen ist konstitutiv für ein eventuelles Erlöschen der Leistungsverpflichtung (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kapitel 14 Rn. 107 ff.).
Die Konsequenz der fehlenden Angabe eines Befristungsgrundes ist nach den hypothetischen Parteiwillen, dass das Anerkenntnis im Übrigen wirksam bleibt, weil der Versicherer seiner Pflicht zur Anerkennung aus § 173 Abs. 1 VVG nachkommen wollte (ebenso MünchKomm VVG/Dörner, § 173 Rn. 20). Das Anerkenntnis vom 21.02.2011 ist daher ein unbefristetes Anerkenntnis, von dem sich der Beklagte nur im Wege des formellen Nachprüfungsverfahrens lösen konnte und kann.
Das Ergebnis korrespondiert mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bindung des Versicherers bei unterbliebenem Anerkenntnis. Danach kann sich der Versicherer auf den späteren Wegfall einer zunächst eingetretenen Berufsunfähigkeit auch dann, wenn er kein Anerkenntnis abgegeben hat, nur durch eine Änderungsmitteilung, die den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügt, lösen (BGH NJW 2019, 2385; BGH NJW-RR 2020, 353). Dem Versicherer soll es nicht zum Vorteil gereichen, dass das gebotene Anerkenntnis unterblieben ist.
Die Nachprüfungsentscheidung muss begründet werden (BGH NJW-RR 1993, 721, 722; BGH NJW-RR 1998, 238; BGH r+s 2006, 205, 206). Die Begründungspflicht soll es dem Versicherungsnehmer ermöglichen, seine Prozessaussichten einzuschätzen. Ihre Erfüllung erfordert zwei wesentliche Elemente: Zum einen muss der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers, wie er dem Anerkenntnis zugrunde gelegen hat, mit dem aktuellen Gesundheitszustand verglichen werden. Weiter ist erforderlich, dass die aus dieser Vergleichsbetrachtung gezogenen Folgerungen dem Versicherungsnehmer erörtert werden (BGH r + s 2006, 205, 206 f.). Unterschiedlich wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte allein erörtert, wie detailliert die Gegenüberstellungen erfolgen müssen (umfassende Nachweise bei Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Rn. 124 ff.).
Zur Auslegung einer Ausschlussklausel betreffend Wirbelsäulenerkrankungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 02. Oktober 2020 – 4 U 633/18
Ein entzündlicher Prozess, der sich aufgrund einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäule gebildet hat, fällt nicht unter Absatz 3 des Leistungsausschlusses, der ausnahmsweise zu einer Leistungspflicht führt. Dies folgt aus einer Auslegung der Erklärung.
Für die Auslegung ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Gefragt werden muss, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Regelung versteht. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGH r + s 2012, 192 Rn. 16; BGH r + s 1993, 351, 352). Entsprechendes muss für Individualvereinbarungen gelten.
Ein verständiger Versicherungsnehmer wird bei Vereinbarung eines Leistungsausschlusses, wie ihn hier die Parteien dem Versicherungsvertrag zugrundegelegt haben, davon ausgehen, dass eine Berufsunfähigkeit, die primär auf einen Unfall oder auf eine entzündliche Erkrankung (Beispiel: Spondylodiszitis) der Wirbelsäule zurückzuführen ist, ausnahmsweise (mit Blick auf den Risikoausschluss in Absatz 1) zu einer Leistung führen wird. Wenn aus der Laienperspektive ein „Verschleiß“ zur Berufsunfähigkeit führt, dann soll eine Leistung nicht geschuldet sein. Da die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers auf degenerative Veränderungen der Wirbelsäule zurückzuführen sind, besteht kein Leistungsanspruch.
Längere Krankschreibung und mehrwöchige Behandlung mit Physiotherapie sind anzugeben
OLG Dresden, Beschluss vom 18. September 2020 – 4 U 1059/20
1. Gesundheitsbeeinträchtigungen sind jedenfalls dann nicht mehr als offenkundig belanglos anzusehen, wenn sie zu einer längeren Krankschreibung und mehrwöchigen Behandlung mit Physiotherapie führen. Sie sind daher in einem Versicherungsantrag auch dann anzugeben, wenn der Antragsteller sie selbst für geringfügig hält.
2. Fragt der Versicherer nach Beschwerden bzw. Krankheiten der Wirbelsäule, sind Rückenschmerzen auch dann anzugeben, wenn ihnen muskuläre Probleme zugrunde liegen.
BU-Versicherung: Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
OLG Braunschweig, Beschluss vom 09. September 2020 – 11 W 27/20
Aus der Sicht eines Ablehnenden kann es als Voreingenommenheit des abgelehnten Sachverständigen verstanden werden, wenn dieser auf die Bitte des Gerichts um eine ergänzende Stellungnahme mitteilt, dass er dafür erneut die Akte studieren müsse, er aber bereits wisse, dass sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ keine neuen Erkenntnisse ergeben werden
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Auswirkung einer Prämienerhöhung auf die Versicherungsleistung
OLG Hamm, Urteil vom 04. September 2020 – I-20 U 182/19
1. Ist bei einer Berufsunfähigkeits-(zusatz-)versicherung eine Dynamisierung von Prämie und Leistung vereinbart und regeln die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, dass sich die Erhöhung der Versicherungsleistungen nach dem Alter der versicherten Person, der restlichen Beitragszahlungsdauer und einem eventuell vereinbarten Beitragszuschlag errechnet, kommt dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Umfang der Erhöhung der Leistungen nicht streng der – jährlich nach einem festen Prozentsatz erfolgenden – Erhöhung der Prämie folgt.
2. Das gilt auch dann, wenn an anderer Stelle – unter anderem im Versicherungsschein und in den Tarifinformationen – ohne nähere Konkretisierung von einer „planmäßigen Erhöhung von Beitrag und Leistung“ die Rede ist.
3. Wird aus Vertragsinhalt gewordenen besonderen Bedingungen unmissverständlich klar, dass die Erhöhung der Versicherungsleistung nicht zu einem festen Prozentsatz erfolgt, sondern von verschiedenen Faktoren abhängig ist und ein vereinbarter Beitragszuschlag nur einer von diesen Faktoren ist, wird hinreichend deutlich, dass die Leistungsanpassung nicht zwangsläufig der Prämienanpassung entspricht
4. Es gibt keine berechtigte Erwartung eines Versicherungsnehmers dahingehend, dass die Erhöhung der Leistung der Erhöhung der Prämie bezogen auf den Prozentsatz exakt entsprechen muss.
Leistungen aus Erwerbsunfähigkeits-Zusatzversicherung: Nachweis der Erwerbsunfähigkeit bei möglicher flexibler Tätigkeit von zuhause aus
OLG Saarbrücken, Urteil vom 02. September 2020 – 5 U 1/20
1. Zur Auslegung der Bedingungen einer privaten Erwerbsunfähigkeitsversicherung, die Versicherungsschutz für den Fall bietet, dass der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, dauerhaft und vollständig außerstande ist, irgendeine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. (Rn.15)
2. Diese Voraussetzungen sind nicht nachgewiesen, wenn es dem Versicherten aufgrund seiner Erkrankung – Pfortaderthrombose mit kavernöser Transformation der Pfortader, die zu erheblichen Komplikationen in Gestalt von inneren Blutungen und nicht planbaren, z.T. auch mit Schmerzen verbundenen Stuhlabgängen führt – zwar nicht zugemutet werden könnte, eine außerhäusliche berufliche Tätigkeit von gewisser Regelmäßigkeit wahrzunehmen, jedoch die Möglichkeit, zu Hause einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit mit flexibler Zeitgestaltung nachzugehen, auch unter diesen Umständen nicht ausgeschlossen erscheint. (Rn.26)
1. Im Gegensatz zur „klassischen“ Berufsunfähigkeitsversicherung ist bei einer Erwerbsunfähigkeitsversicherung nicht der konkrete, zuletzt ausgeübte Beruf versichert, sondern die Fähigkeit, überhaupt noch irgendeiner bezahlten Tätigkeit regelmäßig nachzugehen.
2. Wer eine solche Versicherung abschließt, muss es also hinnehmen, dass der Maßstab der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit gerade nicht der bisherige Beruf, die Ausbildung oder Erfahrung oder die Lebensstellung ist, sondern eine beliebige, mehr als nur geringfügige Einkünfte versprechende Arbeit. Der Versicherer kann den Versicherten grundsätzlich auf jede zumutbare Erwerbstätigkeit verweisen.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Leistungsfreiheit des Versicherers aufgrund einer Verletzung der Mitwirkungs- und Untersuchungsobliegenheit
OLG Hamm, Beschluss vom 06. August 2020 – 20 U 89/20
Verweigert der VN einer Berufsunfähigkeitsversicherung die Mitwirkung bei der Nachprüfung, kann der Versicherer die Fortzahlung der anerkannten Rente (jedenfalls) bis zur Nachholung der eingeforderten Mitwirkung auch dann verweigern, wenn keine Bedingungsanpassung an das VVG 2008 (Obliegenheiten) erfolgt ist (im Anschluss an OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 02.10.2019 – 12 U 25/19, NZB anhängig BGH IV ZR 286/19).
1. Eine vereinbarte Mitwirkungs- und Untersuchungsobliegenheit kann trotz fehlender Bedingungsanpassung bestehen bleiben.
2. Ein Versicherungsnehmer, der trotz Aufforderung des Versicherers und damit in Kenntnis der vertraglichen Vereinbarung die Mitwirkung gezielt verweigert, handelt mindestens bedingt vorsätzlich.
3. Stellt das Verhalten eines Versicherungsnehmers eine grobe Verletzung des in besonderem Maße von Treu und Glauben geprägten Versicherungsverhältnisses dar, muss dies jedenfalls zur vorübergehenden Leistungsfreiheit führen.
BUZ-Versicherung: Anspruch auf Zugänglichmachung von in einem medizinischen Sachverständigengutachten verwerteten Tagebuchaufzeichnungen einer Partei
OLG Dresden, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 U 2751/19
Tagebuchaufzeichnungen einer Partei, die in einem medizinischen Sachverständigengutachten ausgewertet werden, müssen der anderen Partei regelmäßig nicht zugänglich gemacht werden. Gelangen sie zur Gerichtsakte, besteht kein Anspruch auf Einsicht.
Leistungspflicht eines Berufsunfähigkeitsversicherers bei erfolgreicher Wiedereingliederung des Versicherungsnehmers
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15. Juli 2020 – 11 U 91/19
1. Ein Berufsunfähigkeitsversicherer kann im Wege eines Nachprüfungsverfahrens seine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder beseitigen, wenn deren Voraussetzungen zwischenzeitlich wieder entfallen sind.
2. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert grundsätzlich einen Vergleich des Zustands, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt.
3. Eine detaillierte Vergleichsbetrachtung erübrigt sich allerdings, wenn sich ergibt, dass der Versicherungsnehmer wieder vollständig genesen und beruflich eingegliedert ist. Es besteht für den Versicherten kein Bedürfnis für eine Gegenüberstellung des jeweiligen Gesundheitszustandes, wenn dieser die von ihm bei Antragstellung beschriebenen Tätigkeiten auf der Grundlage eines Wiedereingliederungsplans wieder durchführt, was auch seinem Gesundheitszustand und seiner Einsatzfähigkeit entspricht.
4. Eine Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil er noch weitere BU-Versicherungen bei Drittversicherern abgeschlossen hat, die ihrerseits offenbar dessen Berufsunfähigkeit anerkannt haben. Diese Versicherungsverhältnisse haben keine Indizwirkung.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Auslegung als Versicherung für fremde Rechnung; Widerruflichkeit des Bezugsrechts
BGH, Urteil vom 15. Juli 2020 – IV ZR 4/19
1. Zur Auslegung einer Berufsunfähigkeitsversicherung als Versicherung für fremde Rechnung (hier: minderjährige Tochter als versicherte Person).
2. Die Widerruflichkeit eines Bezugsrechts in der Berufsunfähigkeitsversicherung entfällt mit Eintritt des Versicherungsfalles auch hinsichtlich aller erst zukünftig fällig werdenden Rentenzahlungen.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Gesundheitsangaben bei Umstellung einer (Risiko-)Lebensversicherung (auch) zu einer BUZ-Versicherung
OLG Hamm, Beschluss vom 05. Juni 2020 – 20 U 37/20
Macht der VN im Rahmen einer Umstellung zu einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf entsprechende Antragsfragen falsche Angaben, kann dies den Versicherer zum Rücktritt (§ 19 Abs. 2 VVG) berechtigen (hier bejaht).
Eintritt des Versicherungsfalls bei der Berufungsunfähigkeitsversicherung
KG Berlin, Urteil vom 26. Mai 2020 – 6 U 75/19
Wird in den Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung die Frage, wann vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt, dahin beantwortet, dass sie vorliegt, “wenn die versicherte Person infolge Krankheit … 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben” (Nr. 1.2.1 AVB), so tritt der Versicherungsfall auch bei der ersten Alternative (“6 Monate .. war”) bereits mit dem Beginn des Sechsmonatszeitraums ein; für diese Auslegung aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers spricht auch die weitere Bestimmung in Nr. 2.4.1 AVB, wonach der Anspruch auf Leistungen “mit Beginn des Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit (= Beginn des sechsmonatigen Zeitraums gemäß Abschnitt 1.2.1)” beginnt.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Wirksamkeit der Mitteilung über eine Leistungseinstellung des Versicherers
OLG Saarbrücken, Urteil vom 20. Mai 2020 – 5 U 30/19
Die Einstellungsmitteilung eines Berufsunfähigkeitsversicherers kann schon aus formalen Gründen unwirksam sein, wenn sie im Rahmen der gebotenen Vergleichsbetrachtung nicht auf die in gesunden Tagen ausgeübte Berufstätigkeit abstellt, sondern auf die nach Abschluss einer im konkreten Fall unzulässigen Kulanzvereinbarung und bis zur Abgabe des späteren Anerkenntnisses neu aufgenommene Tätigkeit.
Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung: Verfahrensunterbrechung bei Insolvenzeröffnung
LG Frankfurt, Zwischenurteil vom 14. Mai 2020 – 2-23 O 379/15
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers unterbricht regelmäßig den Rechtsstreit über Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Stellung einer Berufsfähigkeitsprognose auf Grundlage statistischer Werte; Beweislast für Wiederherstellung der Berufsfähigkeit; Verweisung eines Selbstständigen auf eine abhängige Beschäftigung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06. Mai 2020 – 9 U 54/18
1. Wird beim Versicherungsnehmer eine Krankheit mit einer generell geringen Überlebenswahrscheinlichkeit festgestellt, kann die statistische Überlebensrate für die Prognose der Berufsfähigkeit wesentlich sein. Individuelle medizinische Feststellungen können bei der Prognose gegebenenfalls zurücktreten.
2. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht Feststellungen zum Berufsbild des Versicherungsnehmers bei einem kleinen Handwerksbetrieb auf eine eingehende Darstellung des Versicherungsnehmers stützt. Sind die Angaben plausibel und gibt es keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Darstellung, ist eine ergänzende Beweisaufnahme zur Struktur des Betriebs und zu den ausgeübten Tätigkeiten durch Zeugen oder durch ein Sachverständigengutachten nicht erforderlich.
3. Steht für einen bestimmten Zeitpunkt die Prognose voraussichtlich dauerhafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen iSv § 172 Abs. 2 VVG fest, obliegt die Beweislast für eine mögliche spätere Wiederherstellung der Berufsfähigkeit auch im Erstprozess dem Versicherer.
4. Der Versicherer kann sich in der Berufsunfähigkeitsversicherung auf eine abstrakte Verweisungsklausel nur dann berufen, wenn die Verweisungstätigkeit dem Versicherungsnehmer zumutbar ist. Einem selbstständigen Kfz-Meister, der sich in 20 Jahren einen kleinen Kfz-Reparaturbetrieb aufgebaut hat, ist es nicht zumutbar, nach der Diagnose eines Pankreas-Karzinoms in eine abhängige Beschäftigung zu wechseln, wenn er trotz der schlechten Prognose noch auf eine Heilung und auf eine Weiterführung seines Betriebs hofft.
Beratungs- und Aufklärungspflichten des Versicherungsvermittlers/Versicherungsvertreters bei beabsichtigtem Versicherungswechsel; erstfähiger Schaden bei falscher bzw. unvollständiger Beratung
LG Frankfurt, Beschluss vom 23. April 2020 – 2-30 S 5/18
1. Bei einem Versicherungswechsel hat der Vermittler den Versicherungsnehmer über die Folgen des Wechsels, insbesondere über die damit möglicherweise verbundenen Nachteile zu informieren. Das kann unter Umständen dazu führen, dass der Vermittler seinem Kunden von einem Wechsel abraten muss.
2. Auch ein Versicherungsvertreter, der im Vergleich zum Versicherungsmakler nur eine eingeschränkte Produktberatung schuldet und grundsätzlich nicht seine eigene Marktposition schwächen muss, hat den Versicherungsnehmer gleichwohl über diejenigen Punkte aufzuklären, die für den Abschluss des konkreten Vertrages üblicherweise von wesentlicher Bedeutung sind. Bei einem beabsichtigten Versichererwechsel sind die Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch, da der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will.
3. Tritt der Versicherungsnehmer mit dem Wunsch zur Kündigung eines bestehenden Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung an den Versicherungsvermittler heran, löst dieser Wunsch die Beratungspflicht des Versicherungsvermittlers aus, der daraufhin die Vor- und Nachteile des Versichererwechsels darstellen muss.
4. Der Schaden des Versicherungsnehmers umfasst auch die Prämiendifferenz zwischen der billigeren alten Versicherung und der teureren neuen Versicherung. Bei ordnungsgemäßer Beratung hätte der Versicherungsnehmer den bestehenden Versicherungsvertrag nicht gekündigt und weiterhin die Prämien für diesen Versicherungsvertrag gezahlt. Grundsätzlich darf ein Versicherungsnehmer, der bei einem Versicherungswechsel falsch beraten wurde, eine vergleichbare Versicherung abschließen und kann die Prämiendifferenz ersetzt verlangen kann.
5. Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet, die ihm übersandten Versicherungsunterlagen des neuen Versicherers dahingehend zu überprüfen, ob der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer nicht falsch beraten hat.
Rückwirkender Leistungsausschluss bei Nichtangabe einer Gonarthrose 4. Grades
LG Offenburg, Urteil vom 03. April 2020 – 2 O 315/18
Zur rückwirkenden Einfügung eines Leistungsausschlusses in den Versicherungsvertrag nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG im Falle der grob fahrlässigen Nichtangabe einer Gonathrose IV. Grades in den Gesundheitsfragen.
Dynamisierung der Berufsunfähigkeitsrente nach Eintritt des Leistungsfalls
OLG Dresden, Beschluss vom 31. März 2020 – 4 U 2848/19
1. Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem der Versicherer zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente verurteilt wird, umfasst erst nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eintretende Dynamisierungen grundsätzlich nicht.
2. Die Klausel in den AVB des Versicherers einer kombinierten Lebens- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, wonach bei Eintritt von Berufsunfähigkeit Leistungen der „Hauptversicherung“ dynamisiert werden, schließt für einen verständigen Versicherungsnehmer eine Dynamisierung der Berufsunfähigkeitsrente nach Eintritt des Leistungsfalls aus.
Streitwertbemessung: Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrags
OLG Nürnberg, Beschluss vom 26. März 2020 – 8 W 916/20
Der Streitwert eines auf Feststellung gerichteten Antrags, der – nach erklärtem Vertragsrücktritt des Versicherers wegen vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung und gleichzeitigem Anerkenntnis eines bereits eingetretenen Versicherungsfalls – ausschließlich das Fortbestehen des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrags zum Gegenstand hat, beträgt 20 % des Dreieinhalbfachen der Jahresleistungen (Rente zzgl. Beitragsfreistellung).
Anforderungen an formell wirksame Einstellungsmitteilung nach anerkannter Berufsunfähigkeit
LG Offenburg, Urteil vom 28. Februar 2020 – 2 O 312/18
1. An den Inhalt einer Einstellungsmitteilung sind strenge Voraussetzungen zu stellen. Die Mitteilung muss eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis geändert hat, und aus welchen Gründen die Leistungspflicht entfallen soll.
2. Die Mitteilung muss eine vergleichende Betrachtung der aus der Sicht des Versicherers maßgeblichen Umstände enthalten, die sich einerseits auf den Zeitpunkt des früheren Anerkenntnisses bezieht und andererseits auf den Zeitpunkt der Einstellung der Zahlungen.
3. Die Einstellungsmitteilung eines Berufsunfähigkeitsversicherers ist formell unwirksam, wenn es an der vergleichenden Betrachtung der maßgebenden Umstände hinsichtlich der seinerzeitigen Diagnose eines posttraumatischen Belastungssyndroms fehlt.
Berücksichtigung eines dem Gerichtsgutachten widersprechenden Privatgutachtens
BGH, Beschluss vom 26. Februar 2020 – IV ZR 220/19
Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, darf der Tatrichter den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an. Ein Antrag der beweispflichtigen Partei ist dazu nicht erforderlich. Gegebenenfalls hat das Gericht den Sachverständigen unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen folgen will. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter ein weiteres Gutachten einholen.
Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung; Einstellung der Leistung bei Verbesserung des Gesundheitszustandes des Versicherten; Anforderung an die Wirksamkeit einer Einstellungsmitteilung
LG Hamburg, Urteil vom 14. Februar 2020 – 314 O 71/19
Wird durch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung eine Einstellungsmitteilung an den Versicherungsnehmer übersandt, in der auf ein Gutachten eines Sachverständigen Bezug genommen wird, so ist die Einstellungsmitteilung unwirksam, wenn dem Versicherungsnehmer nicht auch das Gutachten mit übersandt wird.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Berufsunfähigkeit eines selbstständigen Tennislehrers
OLG Saarbrücken, Urteil vom 12. Februar 2020 – 5 U 42/19
Ein selbständiger Tennislehrer, der wegen einer chronisch entzündlichen, fortschreitenden Erkrankung des rechten Handgelenks und daraus resultierendem Belastungsschmerz nicht einmal mehr zu einem einzigen längeren Ballwechsel imstande ist, kann seinen Schülern das Tennisspiel nicht mehr beibringen und ist als bedingungsgemäß berufsunfähig anzusehen.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Rücktritt wegen vorvertraglicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit für eine psychische Vorerkrankung
LG Berlin, Urteil vom 15. Januar 2020 – 7 O 35/19
1. Der Versicherungsnehmer verletzt seine vorvertragliche Anzeigepflicht, wenn er die Frage der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen der Psyche (z.B. Depressionen, Angststörungen, Psychosen, psychosomatische Störungen) unzutreffend mit „nein“ beantwortet.
2. Dass nur der Hausarzt im Rahmen der Untersuchung oder Behandlung hinsichtlich der Psyche von einer Erkrankung ausging und die entsprechende Diagnose nicht von einem Psychiater gestellt wurde, ist unerheblich.
Zum Erfordernis einer Änderungsmitteilung des Versicherers bei späterem Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit trotz Nichtabgabe eines Leistungsanerkenntnisses
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 – IV ZR 65/19
Ein Versicherer kann auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügenden Änderungsmitteilung geltend machen (Festhaltung BGH, 13. März 2019, IV ZR 124/18, NJW 2019, 2385).
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Maßgebliche Tätigkeit für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit; Zumutbarkeit der Fortsetzung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit
OLG Hamm, Urteil vom 11. Dezember 2019 – I-20 U 110/19
1. Für die Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit die Grenze von 50% erreicht oder überschritten hat, ist ein Vergleich zwischen dem gesundheitlichen Zustand im Zeitpunkt des behaupteten Eintritts der Berufsunfähigkeit mit demjenigen Zustand, der bestand, als der konkrete Beruf zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt wurde, maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1993 – IV ZR 203/92).
2. Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn andere mit der Gesundheitsbeeinträchtigung in Zusammenhang stehende oder zusammenwirkende Umstände in der Gesamtschau ergeben, dass dem Versicherungsnehmer die Fortsetzung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, wobei die Beweislast für die Umstände, aus denen sich eine solche Unzumutbarkeit ergeben soll, der Versicherungsnehmer trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – IV ZR 5/11).
Zum Einkommensvergleich für die Verweisbarkeit eines Versicherten in der Berufsunfähigkeitsversicherung
OLG Celle 8. Zivilsenat, Urteil vom 14.11.2019 – 8 U 271/18
1.. Bei dem gebotenen Einkommensvergleich für die Verweisbarkeit eines Versicherten einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf eine andere berufliche Tätigkeit ist das vor der Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen im Regelfall nicht auf den Vergleichszeitpunkt fortzuschreiben. Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn aufgrund eines besonders langen Zeitraums zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und ihrer Nachprüfung eine objektive Vergleichbarkeit des Einkommens und der damit verbundenen Lebensstellung nicht mehr gewährleistet wäre.
2. Ein Bundeswehroffizier im Rang eines Leutnants mit absolviertem Studium der Elektrotechnik und Informationstechnik an der Universität der Bundeswehr ist auf die Tätigkeit als Prüfingenieur beim TüV verweisbar.
Voraussetzungen eines befristeten Anerkenntnisses
BGH, Urteil vom 09.10.2019 – IV ZR 235/18
Ein befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung setzt sowohl das Vorliegen eines sachlichen Grundes als auch eine Begründung der Befristung durch den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer voraus.
Voraussetzungen eines befristeten Anerkenntnisses.
Fondsgebundene Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung: Vollständigkeit der Verbraucherinformationen
OLG Köln, Urteil vom 27.09.2019 – I-20 U 79/18, 20 U 79/18
1. Bei der Angabe des insgesamt zu zahlenden Betrages in einem Versicherungsvertrag handelt es sich um die Bruttoprämie, d.h. die Prämie einschließlich Steuern und sonstiger Prämienbestandteile, die der Versicherungsnehmer für einen bestimmten, vom Versicherer ausdrücklich zu benennendem Zeitraum zu entrichten hat.
2. Ein Versicherer ist bei einer fondgebundenen Lebensversicherung nicht gehalten, die Prämienanteile für die Erlebens- und die Todesfallleistung gesondert auszuweisen. Ein solcher Einzelausweis ist nur dann erforderlich, wenn das Versicherungsverhältnis mehrere selbständige Versicherungsverträge umfasst. Maßgebend ist die gewählte vertragliche Konstruktion, mit der im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsvertrags mehrere Risiken abgedeckt werden.
3. Die Prämie für eine in eine Lebensversicherung eingeschlossene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung muss nicht gesondert ausgewiesen werden. Entsprechendes gilt für eine fondsgebundene Lebensversicherung, bei der die Rückkaufswerte nicht beziffert angegeben werden müssen, weil bei dieser Versicherungsform der künftige Verlauf abhängig von der nicht vorherzusagenden Entwicklung der Fonds am Kapitalmarkt ist und daher schlechterdings nicht prognostiziert werden kann.
Nachträgliche Vertragsanpassung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht
BGH, Urteil vom 25.09.2019 – IV ZR 247/18
1. Das Recht des Versicherers auf Vertragsanpassung nach § 19 Abs. 4 VVG entsteht nur dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt, dem Versicherer die ihm bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung bekannten Gefahrumstände anzuzeigen. Die vom Gesetz als Anzeigepflicht bezeichnete Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach § 19 Abs. 1 VVG setzt positive Kenntnis von einem gefahrerheblichen Umstand voraus. Diese positive Kenntnis des Versicherungsnehmers gehört zum objektiven Tatbestand der Anzeigeobliegenheit, den der Versicherer zu beweisen hat.
2. Ein Versicherungsnehmer verletzt seine Anzeigepflicht nicht, wenn er einen Umstand nicht angibt, der ihm aufgrund von Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Fahrlässige Unkenntnis ersetzt nicht die fehlende Kenntnis eines anzeigepflichtigen Umstandes.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Arglistanfechtung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht; Nachfrageobliegenheit eines Versicherers
OLG Hamm, Urteil vom 11.09.2019 – 20 U 30/19
1. Zahlreiche Arztbesuche sind auch dann offenkundig gefahrerheblich und deshalb anzugeben, wenn tatsächlich in Wahrheit gar keine Beschwerden bestanden.
2. Eine Nachfrage eines Versicherers ist nur veranlasst, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bisher von dem Versicherungsinteressenten erteilten Auskünfte nicht abschließend oder nicht richtig sein können und deshalb weitere Informationen für eine sachgerechte Risikoprüfung erforderlich sind (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011, IV ZR 148/09.)
Anfechtung eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrags: Arglistiges Verhalten eines Versicherungsnehmers bei „blindem“ Unterschreiben eines Antragsformulars
OLG Hamm, Urteil vom 02.08.2019 – I-20 U 102/19, 20 U 102/19
1. Für die Annahme eines arglistigen Verhaltens kann es ausreichen, wenn der Versicherungsnehmer im Bewusstsein der eigenen Unkenntnis Angaben „ins Blaue hinein“ macht (vgl. u.a. OLG München, 30. November 1998, 30 U 129/98).
2. Im Einzelfall liegt eine solche Angabe ins Blaue darin, dass der Versicherungsnehmer das vom Vertreter der Versicherung nach den Angaben eines nahen Angehörigen (hier: Vater) ausgefüllte Antragsformular unterschreibt, ohne es zuvor auf Richtigkeit durchzusehen.
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung: Einkommensermittlung im Rahmen der für die Verweisbarkeit des Versicherten auf eine andere berufliche Tätigkeit gebotenen Vergleichsbetrachtung
BGH, Urteil vom 26.06.2019 – IV ZR 19/18
Bei dem für die Verweisbarkeit des Versicherten auf eine andere berufliche Tätigkeit gebotenen Einkommensvergleich ist das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen grundsätzlich nicht auf den Vergleichszeitpunkt fortzuschreiben.
Fälligkeit von Geldleistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 17.04.2019 – 11 U 137/17
1. Existieren keine spezielleren Regelungen, so tritt die Fälligkeit von Geldleistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen ein. Dazu gehören auch solche Nachforschungen, die klären sollen, ob der jeweilige Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten ordnungsgemäß erfüllt hat.
2. Fällig wird eine in Geld geschuldete Versicherungsleistung – trotz eventuell noch ausstehender Mitwirkungshandlungen seitens des Versicherungsnehmers – ferner dann, wenn der Versicherer seine Feststellungen betreffend den Versicherungsfall zumindest konkludent für beendet erklärt, indem er seine Eintrittspflicht endgültig ablehnt, oder wenn er seine Erhebungen unnötig hinausgezögert. In der zuletzt genannten Konstellation ist der Zeitpunkt für die Fälligkeit maßgeblich, in dem die Erhebungen bei sachgerechter und zügiger Bearbeitung hätten abgeschlossen werden können.
3. Zu den notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG zählen alle Maßnahmen, die ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherer der betreffenden Branche anstellen muss, um Bestehen und Umfang seiner Leistungspflicht abschließend zu ermitteln.
Verjährung des Stammrechts nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts
BGH, Urteil vom 03.04.2019 – IV ZR 90/18
Der Gesamtanspruch (das Stammrecht), der dem Versicherungsnehmer einer selbständigen oder als Zusatzversicherung abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung aus einem Versicherungsfall zusteht, unterliegt auch nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts 2008 der Verjährung.
Notwendigkeit einer erneuten Anhörung des Sachverständigen durch das Berufungsgericht
BGH, Urteil vom 06.03.2019 – IV ZR 128/18
Es bedarf einer erneuten Anhörung des Sachverständigen durch das Berufungsgericht, wenn es dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz würdigen will. Dies gilt insbesondere dann, wenn es ein anderes Verständnis der Ausführungen des Sachverständigen zugrunde legen und andere Schlüsse aus diesen ziehen will als der Erstrichter.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag: Anfechtung wegen Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen
OLG Hamm, Urteil vom 20.02.2019 – I-20 U 126/18, 20 U 126/18
Verschweigt der VN bei Antragstellung – trotz entsprechender Frage des Versicherers – röntgenologisch untersuchte Rückenbeschwerden mit mehrtägiger Krankschreibung einige Monate vor Antragstellung und Rückenbeschwerden zwei Jahre zuvor, kann das (so auch hier – Krankenschwester) eine arglistige Täuschung sein.
Berufsunfähigkeitsversicherung in einer überbetrieblichen Pensionskasse: Bemessung der Berufsunfähigkeit bei Angestelltentätigkeit und weiterer selbständiger Freizeittätigkeit
BGH, Urteil vom 16.01.2019 – IV ZR 182/17
1. Für die Bemessung der Berufsunfähigkeit ist die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Berufstätigkeit maßgeblich. Der Versicherungsschutz beschränkt sich nicht notwendigerweise auf eine einzelne Berufstätigkeit, sondern kann auch mehrere nebeneinander ausgeübte Tätigkeiten erfassen.
2. Eine lediglich als Hobby betriebene Korallenzucht, mit der der Versicherte lediglich für die Zukunft erwartet, zum Erhalt der Lebensgrundlage seine Angestelltentätigkeit durch seine selbständige Tätigkeit im Bereich der Korallenzucht abzulösen, kann nicht berufliche Tätigkeit eingestuft werden.
Berufsunfähigkeitsversicherung: Leistungsausschluss wegen einer durch eine vorsätzliche Straftat herbeigeführten Berufsunfähigkeit bei Fahrlässigkeit in Bezug auf eine besondere Folge der Tat; Leistungsausschluss wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion bei Berufung auf einen Verbotsirrtum
OLG Dresden, Urteil vom 09.01.2019 – 4 W 1160/18
1. In der Berufsunfähigkeitsversicherung liegen die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für den Ausschluss von Leistungen wegen einer durch eine vorsätzliche Straftat herbeigeführten Berufsunfähigkeit auch dann vor, wenn der zugrundeliegende Straftatbestand hinsichtlich der Handlung Vorsatz fordert, in Bezug auf eine besondere Folge aber Fahrlässigkeit genügen lässt.
2. Ein Versicherungsnehmer, dem der Strafbarkeitsvorwurf des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion leistungsausschließend entgegengehalten wird, kann sich nicht einerseits darauf berufen, an den Vorfall selbst infolge einer Amnesie keine Erinnerung mehr zu haben und andererseits infolge der Annahme, das Werfen eines „Böllers“ sei erlaubt gewesen, sich in einem Verbotsirrtum befunden zu haben.
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