Bestandteile

Beratungspflicht bei erkennbarem Beratungsbedarf

BGH, Urteil vom 02. August 2018 – III ZR 466/16

Zu den Anforderungen an die Beratungspflicht des Trägers der Sozialhilfe gemäß § 14 SGB I, wenn bei Beantragung von laufenden Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung ein dringender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf erkennbar ist.

  1. Ist anlässlich eines Kontakts des Bürgers mit einem anderen Sozialleistungsträger für diesen ein zwingender rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf ersichtlich, so besteht für den aktuell angegangenen Leistungsträger auch ohne ein entsprechendes Beratungsbegehren, durch das in der Regel die Beratungspflicht erst ausgelöst wird, zumindest die Pflicht, dem Bürger nahezulegen, sich (auch) von dem Rentenversicherungsträger beraten zu lassen.
  2. Eine solche Spontanberatungspflicht eines Leistungsträgers, der kein Rentenversicherungsträger ist, in einer rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheit kommt aber nur dann in Betracht, wenn die in dem konkreten Verwaltungskontakt zutage tretenden Umstände insoweit eindeutig sind, als sie ohne weitere Ermittlungen einen dringenden rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarf erkennen lassen.
  3. Ist ein Antragsteller auf Grund seiner Behinderung außerstande, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln (Einkommen, Vermögen) zu bestreiten, muss ein mit Fragen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung befasster Sachbearbeiter mit Blick auf die Verzahnung und Verknüpfung der Sozialleistungssysteme in Erwägung ziehen, dass bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein gesetzlicher Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit bestehen kann. Es ist deshalb ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten.
  4. Dazu bedarf es lediglich eines kurzen Hinweises oder einer Belehrung mit wenigen Worten im Sinne der Senatsrechtsprechung (Vergleiche BGH 20. April 2017, III ZR 470/16). Spezialkenntnisse des Rentenversicherungsrechts sind nicht erforderlich. In Fällen dieser Art muss der Träger der Grundsicherung/Sozialhilfe nicht prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente gegeben sind. Ebenso wenig muss er über Einzelheiten der Antragstellung belehren.
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